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René Regier
Foto: privat

„Die besten Bands müssen nicht von ihrer Kunst leben“

20. Dezember 2018

René Regier, Veranstalter des Solinger Cow Club, über den Kulturauftrag – Interview 01/19

engels: René, du bespielst als Veranstalter in Solingen das Wohnzimmer und den Waldmeister, früher auch die Cobra. Sind diese Institutionen unabhängig oder stecken dort die Stadt oder private Besitzer mit drin?
René Regier: Der Waldmeister ist ein eigenständiger Verein, der vor elf Jahren von Kulturschaffenden gegründet wurde und dessen Räumlichkeiten wir mit bespielen. Wir, das ist der Cow Club e.V., dessen Vorsitzender ich seit diesem Jahr bin. Zuvor war ich gefühlte Jahrzehnte lang Kassenwart. Wir haben uns das sogenannte Wohnzimmer an der Düsseldorfer Straße im Jahre 2013 gegönnt, um Abende mit intimeren Konzerten oder Lesungen zu veranstalten. In einem Rahmen, der besser dazu passt als ein großer Club.

Ihr könnt also machen, was ihr wollt, da die Lokalitäten euch gehören?
Der Verein Cow Club bekommt von der Stadt einen freiwilligen jährlichen Zuschuss, ohne den es nicht funktionieren würde. Wir haben aber freie Hand sowie zusätzlich einen eigenen Förderverein.

Hand aufs Herz: Wenn man keinen kommerziellen Druck hat, lädt man dann vor allem Künstler ein, die man selber toll findet, und betrachtet Besuch des Publikums eher als erfreulichen Bonus?
(lacht) Da es nicht unser Beruf ist, gehen wir in der Programmauswahl natürlich auch nach dem, worauf wir Bock haben. Aus dem gleichen Grund kombinieren wir das allerdings auch mit dem, was die Menschen interessiert, da niemand so viel Energie in seiner Freizeit investiert, wenn dann keiner kommt. Außerdem haben wir als gemeinnütziger Verein die Verpflichtung, den lokalen Nachwuchs zu fördern, zum Beispiel durch musikalische Workshops.

René Regier
Foto: privat
ZUR PERSON
Im Jahre 2001 begann René Regier Konzerte zu organisieren. Nach zwei Jahren als Veranstalter in Haan wechselte er nach Solingen und trat dort dem Cow Club e.V. bei. Der Verein fördert Musik, Kleinkunst, Ausstellungen und Jugendbildung.

Ein Bildungsauftrag.
Genau. Wir möchten schließlich auch, dass in der Stadt mal wieder relevante Künstler entstehen. Daran mangelt es derzeit. Die jungen Bands sind entweder reine Cover-Formationen oder sie kopieren vorhandene Stile und zeigen noch keine eigene Handschrift. Da möchten wir gegensteuern. Auch dadurch, dass wir lokale Bands als Vorgruppen für die Musiker buchen, die bei uns zu Gast sind, damit der Nachwuchs lernt und sich inspirieren lässt.

Angenommen, die Stadt Solingen wäre eine Plattenfirma und alle ansässigen Bands hätten dort Verträge. Was wäre das für ein Label?
Das wäre eine reine Gitarrenmusikfirma. Indie, Punkrock, Hardcore. Obwohl bundesweit derzeit Hip-Hop die führende Jugendkultur ist, findet der beispielsweise in Solingen nicht statt. Das spielt allerdings unserem privaten Geschmack in die Karten.

Welche professionellen und überregional bekannten Bands hat Solingen denn in der Vergangenheit hervorgebracht?
Keine Hitfabriken, aber einige haben es in der Szene zu großem Ansehen gebracht. Wer sich mit den diversen Spielarten von Hardcore, Indie oder Garagenrock beschäftigt, dem werden Lockjaw, Forced To Decay, die Jet Bumpers, die Dirtshakes oder Tupamaros bis heute klingende Namen sein.

In der Tat! Woran liegt es, dass das ein wenig eingeschlafen ist?
So etwas beginnt schon bei der Infrastruktur. Es gab in Solingen viele Jahre lang keinerlei vernünftige Proberäume. Unsere Suche danach startete 2005 und blieb angesichts unzähliger, überteuerter Löcher erfolglos. Die Stadt und die AWO haben seit zwei Jahren ein Haus am Start, das sich vor allem an die ganz Jungen richtet.

Gab es in deinen 17 Jahren als Veranstalter richtig katastrophale Abende?
Katastrophal sind nur die Abende, an denen kein Publikum erscheint. Also wirklich gar keins. Vor zehn Jahren brach am Tag eines Konzerts in der Cobra plötzlich der Winter über das Land herein. Die Autos rutschten von der Straße, kein Bus bewegte sich mehr. Die amerikanische Band spielte an dem Abend ausschließlich für uns und das Thekenpersonal.

Habt ihr dann vor lauter verzweifeltem Übermut wie die Teenager herumgetobt oder den Gig eher mit wohlwollendem Kopfnicken zum Takt verfolgt?
Letzteres. (lacht) Mit sehr wohlwollendem Kopfnicken.

Wintereinbruch ist ein echter Grund für schlechten Besuch. Es gibt aber auch typische Ausreden seitens der Veranstalter, die jeder erfahrene Musiker oder Live-Lesungs-Autor kennt. Auf Platz 1: „Tja, heute ist halt Champions League.“
Die habe ich schon sehr oft verwendet.

Warum macht man dann überhaupt ein Event?
Weil man nicht mitbekommen hat, dass Champions League ist oder weil die Tourneepläne ausländischer Bands nun mal nur an dem Tag durch die Region führen.

Womit treiben die gastierenden Künstler am meisten auf die Palme?
Mit Forderungen nach einem ganz bestimmten Whisky unter den tausenden von Sorten, die auf diesem Planeten existieren. Gerne mit der Bemerkung: „Das stand doch auf dem Rider!“

Zur Erklärung: Der sogenannte Rider ist ein Begleitpapier zum Konzertvertrag, in dem steht, was die Künstler neben der Bühnentechnik und der Aufbauweise alles angeblich so brauchen.
Es gibt auch den Fall, dass eine Band, die am Abend selber total lieb und nett war, im Nachhinein bei ihrem Booker schlecht über einen redet. Oder umgekehrt, dass die Künstler wirklich bescheiden und sympathisch sind und gar nicht wissen, was für hanebüchene Forderungen in ihrem Rider stehen, weil das Management sie hineingeschrieben hat. Meistens handelt es sich um Mengen an Catering, von denen man schon weiß, dass nicht einmal eine hundertköpfige Hochzeitsgesellschaft so viel verspeisen könnte.

Wie geht man damit um, wenn die Künstler sich in euren Räumen illegale Substanzen härterer Art reinpfeifen?
Das passiert natürlich nie bei uns. (lacht) Nein, im Ernst. Bis auf das übliche Kiffen ist das tatsächlich kein Thema. Wahrscheinlich haben wir ein gutes Händchen für die Leute.

Wer ist schwieriger im Umgang? Musiker oder Schriftsteller?
Musiker, weil diese ja meistens zu mehreren unterwegs und sich häufig nicht einmal untereinander grün sind. De facto handelt es sich bei vielen Bands um reine Zweckgemeinschaften.

Welcher Investor dürfte eure Vereine und Clubs kaufen, damit ihr daraufhin dort hauptberuflich arbeiten und jeden Musiker der Welt veranstalten könnt?
Gar keiner. Wir machen ein so gutes Programm, weil es eben nicht unser Hauptberuf ist. Die besten Bands sind doch auch meistens die, die nicht von ihrer Kunst leben müssen. Wer von seiner Musik alle Rechnungen zu bezahlen hat, spielt meist professionell, aber belanglos.  

Veranstaltungen im CowClub: 10.1. Gregor McEwan | 10.4. Linus Volkmann | www.cowclub.de

Interview: Oliver Uschmann

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