Gute Musik bringt einen zum Tanzen, Lachen oder Weinen, am besten alles zugleich. Auf der Suche nach unverstellter Emotion wird man oft am schönsten bei Bands fündig, die auf der Straße angefangen haben. Die Berliner Il Civetto zum Beispiel: erst Musik in der U-Bahn gespielt, Balkan, Swing und Pop verschmolzen, auf langen Reisen gelernt mit Tönen Geschichten zu erzählen, und heute mit geballter Bühnenpräsenz unterwegs, vielsprachig pendelnd zwischen Weltschmerz und Revolution. Eine der Bands, die 2018 im Rahmen der „Odyssee“ in vier Städten live zu sehen sein werden. Seit zwanzig Jahren gibt es nun schon dieses Musikfestival, und unermüdlich legen es die Veranstalter darauf an, uns Bands vorzusetzen, die auch Ungewohntes in einen tanzbaren Mix bringen. Die Konzerte werden landesweit vom WDR-Radiosender Cosmo übertragen. Dieses Jahr stehen in Bochum, Recklinghausen, Mülheim und Hagen bei je drei Terminen Acts auf der Bühne, für die Musik mehr ist als ein Unterhaltungsprogramm.
Il Civetto fordern nicht nur „Ferries not Frontex“ und treten auf Anti-AfD-Demos auf, sondern arbeiten speziell für die Odyssee-Reihe mit dem algerischen Trio Sabâ zusammen. Von La Réunion, der zu Frankreich gehörenden Insel im Indischen Ozean, bringen Pachibaba Funk, Afrobeat und Reggae mit kreolischen Akzenten mit. Außerdem dabei: Adé Bantu, Ex-Brothers Keepers, Aktivist gegen Rassismus, Hip-Hop-Pionier in Deutschland und heute mit seiner 13-köpfigen Band Afrobeat, Rap und Reggae verschmelzend.
Was auch immer man tut, ist in einem politischen Zusammenhang zu sehen ‒ eine Selbstverständlichkeit für Claudia Saerbeck vom Ringlokschuppen Mülheim. Die Mit-Veranstalterin der Odyssee-Reihe versteht diese von Anfang an ganz klar als Verbindung von Politik und Kultur. Seit 1999 mit dem Ziel der Einbindung der in Deutschland lebenden MigrantInnen, dann in der musikalischen Einbeziehung von Geflüchteten und bis heute in der sehr bewusst gewählten Form, wie informiert, kommuniziert und übersetzt wird.
Der Anspruch spiegelt sich auch im Begleitprogramm. Der Film „Das Kongo Tribunal“ von Milo Rau spürt auf eindringliche Weise der Verflechtung des Reichtums der Ersten Welt mit dem Völkermord im Ostkongo nach (24.7. Hagen, 25.7. Bochum, 26.7. Mülheim). Am 26.7. wird im Bahnhof Langendreer diskutiert über „Diktatoren als Türsteher Europas. Wie die EU ihre Grenzen nach Afrika verlagert“. Am 1.8. zeigt und diskutiert Regisseurin Ariam Tekle in der Dezentrale Mülheim ihren Film über die Situation der zweiten Einwanderergeneration Eritreas in Mailand. Am 2.8. geht es ebenfalls in der Dezentrale Mülheim mit einem Impulsreferat von Emmanuel Ndahayo um „Afrika ‒ Kontinent der Zukunft? Trotz reicher Ressourcen ist Afrika das Armenhaus der Welt“.
Odyssee – Musik der Metropolen | Bantu: 18.7. Hagen, 19.7. Recklinghausen, 20.7. Mülheim, 21.7. Bochum | Pachibaba: 25.7. Hagen, 26.7. Recklinghausen, 27.7. Mülheim, 28.7. Bochum | Il Civetto & Sabâ: 1.8. Hagen, 2.8. Recklinghausen, 3.8. Mülheim, 4.8. Bochum | je 19.30 Uhr | www.facebook.com/OdysseeMusikderMetropolen/ | cosmoradio.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
All die Frauen und Prince
Zwei Musikbücher widmen sich Sex, Körper und Gender im Rock ‚n‘ Roll – Popkultur 06/20
„Die besten Bands müssen nicht von ihrer Kunst leben“
René Regier, Veranstalter des Solinger Cow Club, über den Kulturauftrag – Interview 01/19
Grenzenlos episch
Live gespielte Game-Soundtracks werden zum Megaevent – Popkultur in NRW 11/18
Immer genau dahin wo's wehtut
Selbstfindungsrandale mit Danger Dan und Juse Ju – Popkultur in NRW 09/18
Sich trauen, außerhalb der Reihe die Zukunft zu bauen
Neue Deutsche Welle revisited in Hagen – Popkultur in NRW 08/18
Tiefenentspannt in Duisburg
Traumzeit-Festival mit Mogwai, Slowdive und The Great Faults – Popkultur in NRW 06/18
Das Recht auf Spaß
We Are Scientists und die Fun-Bombe – Popkultur in NRW 05/18
Global denken, lokal tanzen
NRW Kultursekretariate fördern musikalischen Reichtum – Popkultur in NRW 04/18
Das Gegenteil von Coolness
Sängerin Elif taucht uns tief in ihre Liebe ein – Popkultur in NRW 03/18
Lalla:Labor statt La La Land
Tatkräftige Musikförderung an der Ruhr – Popkultur in NRW 01/18
Das Geld liegt auf der Straße
Musikmesse create & connect will dem Nachwuchs zu Erfolg verhelfen – Popkultur in NRW 11/17
Girls in Airports
Zuhause im Zwischenland – Popkultur in NRW 10/17
Trotz finanziell angespannter Lage
Konzerte im Kölner Stadtgarten im Januar – Improvisierte Musik in NRW 01/25
Intime Weltenwanderer
Markus Stockhausen und Ferenc Snétberger im Parkhotel Engelsburg – Improvisierte Musik in NRW 12/24
Tolerante Szene
An diesem Abend gehen Kölner Jazzbühnen fremd – Improvisierte Musik in NRW 11/24
Nordisches Spitzenprodukt
Rymden am Theater Krefeld – Improvisierte Musik in NRW 10/24
Experimentell und innovativ
3. New Colours Festival in Gelsenkirchen – Improvisierte Musik in NRW 09/24
Immer eine Uraufführung
4. Cologne Jazzweek – Improvisierte Musik in NRW 08/24
Ein Abend für den Duke
Jason Moran und die hr-Bigband in Duisburg – Improvisierte Musik in NRW 07/24
Musikalische Eröffnung der EM
Bundesjazzorchester mit Tom Gaebel in Dortmund und Köln – Improvisierte Musik in NRW 06/24
Verschiedene Welten
Drei Trompeter besuchen das Ruhrgebiet – Improvisierte Musik in NRW 05/24
Besuch von der Insel
„Paul Heller invites Gary Husband“ im Stadtgarten – Improvisierte Musik in NRW 04/24
Pure Lust an der Musik
Das Thomas Quasthoff Quartett im Konzerthaus Dortmund – Improvisierte Musik in NRW 03/24
Kleinstes Orchester der Welt
„Solace“ in der Friedenskirche Ratingen – Improvisierte Musik in NRW 02/24
Mit zwei Krachern ins neue Jahr
Jesse Davis Quartet und European All Stars in Köln – Improvisierte Musik in NRW 01/24