Es weihnachtet auf den Bühnen – keineswegs nur auf denen der Kindertheater. Auch beim erwachsenen Publikum kommen märchenhafte Stücke zur Adventszeit gut an. So dürfte es kein Zufall gewesen sein, dass Dortmunds scheidende Opernintendantin Christine Mielitz die Premiere von Antonin Dvořáks „Rusalka“ in den Dezember legte. Die romantische Tragödie der „tschechischen Undine“, die seit einigen Jahren vermehrt auf westlichen Bühnen auftaucht, ist der Inbegriff der Märchenoper.
In spätromantisch-impressionistischen Farben malte der Komponist ein schillernd geheimnisvolles Bild vom verzauberten See, auf dem sich das Mondlicht spiegelt, und der sich mitten im Elfenwald verbirgt. Es ist eine filigran instrumentierte und harmonisierte Musik, die in Dortmund der junge Dirigent Lancelot Fuhry mit viel Feingefühl zum Funkeln bringt. Märchenfreunde sollten indes ihre Augen lieber geschlossen halten, denn von der Bühne schlägt ihnen das krasse Gegenteil der märchenhaften Zauberwelt entgegen. Die mit leuchtend blauen Kleidern und langen blonden Perücken stilisierten Nixen (Kostüme: Christine Mayer) tummeln sich zwischen nackten, spiegelnden Säulen (Bühne: Sanne Danz). Eine Ebene darüber tun es ihnen die Höflinge des Prinzen gleich – bloß in knallgelben Anzügen und knallroten Gummistiefeln. Auf der Suche nach dem tiefenpsychologischen Kern des Textbuchs von Jaroslav Kvapil liefert die niederländische Regisseurin Jetske Mijnssen eine radikale Anti-Inszenierung, die das Märchenhafte restlos von der Bühne verbannt – aber wenig zu bieten hat, um das Getilgte zu ersetzen.
Letztlich sind es allein die schrillen, brachialen Farbcodes, die den Kern der Inszenierung ausmachen. Da macht es nichts, wenn dem Zuschauer bei einer Aufführungsdauer von gut zweieinhalb Stunden zuzüglich Pause einmal die Augen zufallen – er verpasst nicht viel, solange er die Ohren offen behält. Die Wasserwesen sind blau, die Menschen gelb – und weil es in der höfischen Welt Letzterer ständig sexuell aufgeladen zugeht, laufen sie in roten Stiefeln und Strumpfhosen herum, den Lippenstift so dick aufgetragen wie Batmans böser Joker. Eine Handvoll Schnappschüsse würde reichen, diese Bildersprache zu vermitteln. Bewegung ist in dieser Inszenierung ohnehin Mangelware, die Personenführung dürftig.
So bleibt dem Opernfreund, sich über den Gesang einer Angela Bic zu freuen, die mit jugendlich-lyrischem Sopran, aber auch spürbar dramatischem Potenzial eine schöne Rusalka-Partie singt. Auch Bart Driessen gibt einen angenehm erdigen, ausdrucksstarken Wassermann. Craig Bermingham hingegen drückt als Heldentenor-Prinz so manches Mal allzu heftig auf die Tube. Weniger wäre mit Sicherheit mehr und würde besser klingen. Schöne, weich abgestufte Klänge dringen unterdessen aus dem Orchestergraben. Wem die Musik reicht, ist mit dieser Produktion durchaus gut beraten. Wer allerdings spannendes Musiktheater sehen möchte, wird bei dieser Inszenierung schnell in tiefer Langeweile versinken.
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