Peter Tschaikowsky war begeistert. Jelena Leschkovskaja berührte ihn als blinde Prinzessin Iolanta über alle Maßen. Sofort beschloss er, aus dem Drama des Dänen Henrik Herz eine Oper zu machen. Sein Bruder Modest schrieb ihm das Libretto; ein knappes Jahr vor Tschaikowskys ungeklärtem Tod, am 18. Dezember 1892, ging das Werk im Mariinski-Theater in Sankt Petersburg über die Bühne.
Das Musiktheater im Revier spannt den Einakter nun mit Igor Strawinskys „Le Rossignol“ („Die Nachtigall“) zu einem Doppelabend zusammen. Das in China angesiedelte Märchen Hans Christian Andersens eignet sich – wie Tschaikowskys lyrische Oper – nicht nur als Erzählstoff für eine bezaubernde Geschichte: Beide Werke sind symbolisch aufgeladen, in beiden geht es um Sinneseindrücke als Metaphern für die Weiterentwicklung einer Persönlichkeit. Das Sehen ist bei Tschaikowsky der Schlüssel: Die blinde Prinzessin Iolanta braucht die Gabe des Sehens, um ihre Welt vollständig zu erfassen und vor allem, um die Liebe zu erkennen. Das Hören dagegen spielt bei Strawinsky eine entscheidende Rolle: Der Kaiser von China missachtet, vom Gesang einer mechanischen Nachtigall bezaubert, das Lied der lebendigen Nachtigall. Der verbannte Vogel kehrt erst zum sterbenden Kaiser aus der Natur zurück und bezwingt durch ihr Singen den Tod.
Obwohl symbolistisch umkleidet und damit mehrdeutig gefasst, sind die Gegensätze von Dunkelheit und Licht, ursprünglicher Natürlichkeit und technischer Imitation, begrenzter Erkenntnis und geweiteter Einsicht greifbar. Für die beiden Regisseurinnen des Doppelabends Tanyel Sahika Bakir („Iolanta“) und Kristina Franz („Le Rossignol“) stellen sich die Fragen nach Schein und Sein, Täuschung und Wirklichkeit, Imagination und Realität. Die Oper Strawinskys wurde vom russischen Regisseur Boris Romanow 1914 in Paris inszeniert. Sie trägt in sich schon die Elemente von Tanz und Pantomime, die Strawinsky später in einem Ballett entfaltete, das 1920 in London erschien und in der Pariser Produktion von George Balanchine berühmt wurde. In Gelsenkirchen wird das hauseigene Puppentheater die Totengeister des dritten Akts Gestalt werden lassen. Generalmusikdirektor Rasmus Baumann steht bei beiden Opern am Pult der Neuen Philharmonie Westfalen.
Iolanta / Le Rossignol | 24.2. (P), 3., 7., 9., 17., 29.3., 13., 21.4. | Musiktheater im Revier Gelsenkirchen | 0209 409 72 00
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