Was ist nicht alles über „Parsifal“ gerätselt worden. Bühnenweihfestspiel und Weltabschiedswerk, kunstreligiöse Feier und Erlösungsdrama, Rätsel und Offenbarung. Richard Wagners letztes Werk, vielfach gedeutet, vielfach missverstanden, entzieht sich jeder Festlegung. Kein Wunder, dass es selbst auf viel zu kleinen Bühnen – wie in Coburg, Detmold, im September in Minden oder 2024 in Ulm – regieehrgeizige Versuche gibt, sich dem Werk zu nähern. Das jüngste Experiment war in Bayreuth zu besichtigen: Im Festspielhaus, wo der „Parsifal“ nach Wagners Wille eigentlich exklusiv aufgeführt werden sollte, fand Jay Scheib, Professor am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (USA), trotz des viel beachteten Einsatzes von „Augmented Reality“-Brillen keine Deutung, die etwa vor den Bayreuther Inszenierungen von Christoph Schlingensief und Stefan Herheim Bestand haben könnte.
Zur Spielzeiteröffnung 23/24 machen sich zwei Opernhäuser an das mythische Werk: In Hannover inszeniert der mit dem Theaterpreis „Der Faust“ ausgezeichnete isländische Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson. Die Deutsche Oper am Rhein zeigt in einer Übernahme aus Genf eine radikal minimalistische Deutung von Michael Thalheimer, der zuletzt in Düsseldorf/Duisburg mit Giuseppe Verdis „Macbeth“ triumphieren konnte. Die Kritiken der Genfer Premiere waren durchweg angetan: eine „exemplarische, zeitgemäße Aufführung“ titelte das St. Galler Tagblatt, die „Welt“ sprach von einem selten spannenden und geschlossenen „Parsifal“ ohne „Überwältigungspathos, ohne sich türmende Symbolik, ohne politische Aktualisierung, ohne apokalyptische Prophezeiung“.
In der Rheinoper steht der erfahrene Wagner-Interpret Axel Kober am Pult der Düsseldorfer Symphoniker. In der Titelrolle ist der schwedische Heldentenor Daniel Frank zu hören, der in Düsseldorf bereits Bacchus in Strauss‘ „Ariadne auf Naxos“, Siegmund in Wagners „Walküre“ und Tristan gesungen hat. Das langjährige Ensemblemitglied Sarah Ferede widmet sich dem geheimnisvollen Charakter der Kundry. Als Gurnemanz bringt Hans-Peter König seine Erfahrung aus allen wichtigen Wagner-Partien ein.
Parsifal | 17. (P), 23.9., 1., 15., 21.10. | Deutsche Oper am Rhein, Düsseldorf | 0211 892 52 11
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Besiegt Vernunft die Leidenschaft?
„Orlando“ an der Oper Köln – Oper in NRW 11/24
Unerwartet Kaiserin
„Der Kreidekreis“ in Düsseldorf – Oper in NRW 11/24
Oper trifft heute mal Jazz
Songs & Arien auf der Insel
Schäferwagen und Hexenhaus
„Hänsel und Gretel“ am Opernhaus Wuppertal – Auftritt 11/24
Ohne Firlefanz
Premiere von „Salome“ im Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 10/24
Horror und Burleske
Die Spielzeit 24/25 am Gelsenkirchener MiR – Oper in NRW 07/24
Opern-Vielfalt am Rhein
„Nabucco“ eröffnet in Düsseldorf die Spielzeit 2024/25 – Oper in NRW 06/24
„Kritische Auseinandersetzung mit der Kolonialzeit“
Kapellmeister Hermes Helfricht über Werner Egks „Columbus“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 06/24
Welt ohne Liebe
„Lady Macbeth von Mzensk“ am Theater Hagen – Oper in NRW 05/24
Die Gefahren der Liebe
„Die Krönung der Poppea“ an der Oper Köln – Oper in NRW 05/24
Ethel Smyth und Arnold Schönberg verzahnt
„Erwartung / Der Wald“ im Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 05/24
Absurde Südfrucht-Fabel
„Die Liebe zu den drei Orangen“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 04/24
Grund des Vergessens: Rassismus
Oper von Joseph Bologne am Aalto-Theater Essen – Oper in NRW 03/24
Verpasstes Glück
„Eugen Onegin“ in Bonn und Düsseldorf – Oper in NRW 02/24
Täuschung und Wirklichkeit
Ein märchenhafter Opern-Doppelabend in Gelsenkirchen – Oper in NRW 02/24
Unterschätzte Komponistin?
„Der schwarze Berg“ an der Oper Dortmund – Oper in NRW 01/24
Geschlossene Gesellschaft
„Flight“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 01/24