Mit herausragender Dekadenz und Exzentrik hat sich gleich eine ganze Reihe altrömischer Kaiser ihren Platz in der Weltgeschichte gesichert. Marcus Aurelius Antoninus, der später den Beinamen „Elagabal“ bekam, aber sticht selbst aus diesem illustren Kreis noch hervor. In knapp vier Jahren Regierungszeit (218-222) ließ er es – bis zu seiner Ermordung – ordentlich krachen. Geprotzt wurde an seinem Hofe bis an die Schmerzgrenze; Ausschweifungen und Orgien waren an der Tagesordnung. Kein Wunder also, dass es den venezianischen Komponisten Francesco Cavalli reizte, diesem schillernden Eliogabal eine Oper zu widmen. Indes hatte Cavalli im Karneval 1668 die Rechnung ohne den gewandelten Zeitgeist seiner Landsleute gemacht: Denen war der Stoff einerseits zu brisant, Cavallis Musik andererseits zu altmodisch. „L‘Eliogabalo“ fiel beim Publikum durch und wurde schon nach wenigen Tagen durch eine gleichnamige und gefälligere Oper eines Konkurrenten ersetzt.
Cavallis Partitur landete für mehr als 300 Jahre in der Schublade, bis 2004 der belgische Barock-Spezialist René Jacobs sie wieder auf die Bühne brachte. Es folgten einige weitere Produktionen in Europa. In Deutschland ist Cavallis „L‘Eliogabalo“ nun erstmals in Dortmund auf der Bühne zu erleben. Regisseurin Katharina Thoma, die der neue Opern-Intendant Jens-Daniel Herzog für zwei Jahre an sein Haus gebunden hat, gibt mit ihrer Inszenierung einen starken Einstand. „Elio Gabalo“ wird darin zu einer Luxusmarke, der Kaiser, der als Hohepriester eines orientalischen Sonnenkultes für seine auffälligen Gewänder bekannt war, ist ein ebenso reicher wie exzentrischer Modezar, der in seiner Welt das alleinige Sagen hat.
Nicht nur die Inszenierung, die durch Witz, Originalität und eine solide Personenführung überzeugt, holt den barocken Dreiakter aus der Spezialistenecke, sondern auch die Tatsache, dass die Produktion ohne viele Gäste auskommt. Solche Experten für Alte Musik sind Fausto Nardi am Dirigentenpult, der Cembalist Andreas Küppers und Johannes Vogt, der in der kleinen Orchesterbesetzung die Theorbe, eine barocke Laute, spielt. Auf der Bühne beweist unterdessen das neue Solistenensemble (nebst dem altbewährten Allround-Tenor Hannes Koch), wie gut es ohne Extra-Verstärkung mit dem Barock-Genre zurechtkommt. Zentraler Auslöser der mehr amourösen als politischen Verwicklungen ist Christoph Strehl als Eliogabalo, ein notorischer Schürzenjäger, der sich zur Abwechslung – wie das historische Vorbild – auch gern mit knackigen Jünglingen umgibt.
Schöne klare und wendige Timbres vor einem duftig leichten Orchesterklang machen den musikalischen Spaß an dieser Produktion aus. Cavalli komponierte beinahe übergangslos zwischen Rezitativen und Arien. Seinen Zeitgenossen gefiel dieser Stil irgendwann nicht mehr, weil er als altmodisch galt. Für heutige Ohren klingt dieser sprachnahe Gestus dagegen eher unverkrampfter und natürlicher als die endlos redundanten Arien vieler Nachfolger Cavallis. Auch deshalb taugt „L‘Eliogabalo“ nicht nur für eingefleischte Barock-Fans.
„L’Eliogabalo“ I Fr, 4.11., 19.30 Uhr I Opernhaus Dortmund I 0231 502 72 22
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