Die Isländer haben was gegen Alkohol. Oder andersherum: Die Isländer lieben den Alkohol. Und zwar so sehr, dass sie was gegen ihn haben. Das klingt paradox, aber die Zusammenhänge sollten klar sein. Also haben sie ihn 1915 komplett verboten. Aus wirtschaftlichen Gründen wurden später doch Schnaps und Wein importiert und unter staatlicher Aufsicht verkauft, aber Bier ist in dem atlantischen Inselstaat erst seit 1989 erlaubt. Die Isländer hassen (oder lieben) den Alk so sehr, dass sie ihn im 19. Jahrhundert ausgerottet haben.
Der Riesenalk ist keine Nebukadnezar-Flasche Champagner, sondern ein Vogel. Gewesen. Ein Vogel, der schon allein mit seinen Namen gleich zweifach pubertäres Kichern auslöst und linguistische Verwunderung. Der mit seiner Gestalt und Fortbewegungsweise ebenfalls gleichzeitig für Erheiterung und Erstaunen sorgt. Und der den Fortbestand seiner Art für eine spannende Geschichte über die Schlechtigkeit des Menschen hingegeben hat.
Namentliche Freuden
Fangen wir mit dem Namen an. Natürlich haben die Isländer den Riesenalk – auf Isländisch heißt er übrigens geirfugl – nicht gejagt, weil man von ihm betrunken wird. Aber mal ehrlich: Jemanden, der Riesenalk dabei hat, den lädt man doch gerne auf seine Party ein, oder? Doch halt, ihr Schnapsdrosseln! Spart euch euer postpubertäres Gekicher für den wissenschaftlichen Namen des Vogels: Pinguinus impennis.
Moment, was für ein Pinguin? Nein, die Alkenvögel sind nicht mit den freundlichen Watschlern der Südhalbkugel verwandt, aber es ist möglich, dass sie ihnen ihren Namen überlassen haben. Beide tragen Frack, eumeln unbeholfen an Land und schwimmen virtuos im Wasser. Pen bedeutet „Kopf“ und gwyn bedeutet „weiß“ – auf Walisisch! Damit hat diese Sprache, von deren Existenz die meisten Menschen nicht einmal etwas ahnen, fast alle Sprachen der Welt bereichert, bis zum penguino im philippinischen Tagalog und pengwini in ostafrikanischen Suaheli. Ausgenommen ist in gewisser Weise z.B. das Französische (wo der Pinguin manchot heißt, aber der Riesenalk grand pingouin) und das Isländische (mörgæs). Manche hätten sich sicher gewünscht, es wäre mehr Alk exportiert worden.
Leichte Beute
Tatsächlich wurde es das, was uns zur Geschichte um das Ende des Alks bringt (nein, nicht die Prohibition). Anders als die echten Pinguine, die größtenteils dort leben, wo es kälter ist, als es diesen Winter im Büro wird, und sich deshalb kein Mensch hin verirrt, präsentierte der Riesenalk seinen nährstoffreichen Körper den Seemännern, die gerade den weiten Weg aus Nordeuropa bzw. Neufundland zurückgelegt und mächtig Kohldampf hatten. Robben hielten was aus, andere Vögel waren zu flink, aber für den Riesenalk, da reichte eine leidlich sportliche Konstitution und ein Knüppel. Dass der Vogel auch noch wärmende Daunen und brennbares Fett besaß, machte ihn nur noch begehrter. Bereits 1785 befürchtete der englische Entdecker Kapitän George Cartwright, dass es bei der Bejagung bald keinen Alk mehr geben würde.
3. Juni 1844. Schauplatz: Eldey, ein 70 Meter hoher schroffer Felsklotz, der 15 Kilometer vor Island steil aus dem Meer aufragt. Auftritt Jón Brandsson, Sigurður Ísleifsson und Ketill Ketilson. Sie waren die einzigen drei der vierzehn Männer, die sich dieses Mal trauten, den gefährlichen Felsen zu besteigen. Das Wetter peitschte die See gegen die Steine, so dass selbst das Anlegen gefährlich war. In den vergangenen Jahren waren die Isländer öfter hergekommen, um Nahrung zu beschaffen. Einmal waren sie sogar mit 24 Exemplaren zurückgekommen. Doch an diesem Tag waren da überhaupt nur zwei Alks zu sehen. Sigurður erinnert sich, wie der Ornithologe John Wolley festhielt: „Die Felsen waren bedeckt mit Lummenvögeln, und dann waren da diese Riesenalks. Sie gingen langsam. Jón Brandsson schlich sich mit offenen Armen heran. Der Vogel, dem er nachstellte, lief in eine Ecke, aber meiner bewegte sich auf die Klippe zu. Er lief aufrecht wie ein Mensch, aber bewegte seine Beinchen schnell. Kurz vor der Klippe, einem Abgrund viele Klafter tief, schnappte ich ihn. Ich griff ihn am Hals und er schlug mit den Flügeln. Er gab kein Geräusch von sich. Ich drehte ihm den Hals um.“
Glückwunsch den Ausrottern
Dasselbe tat wohl Jón mit seiner Beute. Ketill fand ein Ei, das allerdings einen Riss hatte, also warf er es zu Boden und zertrat es mit seinem Stiefel. Ob der Riss von einem sich gerade ereignenden Schlupf herrührte, werden wir wohl nie erfahren. Aber: Glückwunsch Jón, Ketill und Sigurður! Es gibt nicht viele Tierarten, deren ultimative Ausrotter namentlich bekannt sind!
Die toten Tiere verkauften Sie einem Kaufmann, dem sie auf dem Weg nach Reykjavík begegneten. Die Körper wurden ausgestopft und befinden sich heute vielleicht in Los Angeles oder Brüssel, das weiß man nicht mehr so genau. Gesichert ist der Verbleib einiger Organe: Die dümpeln in einem gläsernen Behälter in Alkohol herum, der im Zoologischen Museum Kopenhagen aufbewahrt wird.
Der Riesenalk ist laut Roter Liste der Gefährdeten Arten eine von 159 Vogelarten, die nach dem Jahr 1500 ausgestorben sind. Hinzu kommen 619 weitere Arten anderer Klassen. Mehr als 4.000 weitere Arten stehen kurz davor, diesem Klub beizutreten. Verteilen wir Freikarten oder machen wir den Türsteher – „Du kommst hier nicht rein“? Es sei zu bedenken: Im Klub gibt’s immerhin Alk!
UNARTIG - Aktiv im Thema
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scientistrebellion.com/ | Der internationale Zusammenschluss von Wissenschaftler und Akademikern fordert von der Politik konsequenten Klima- und Artenschutz.
deutschlandfunkkultur.de/ngos-unter-legitimationsdruck-die-guten-zu-sein-reicht-100.html | Der ausführliche Beitrag diskutiert Kritikpunkte, die gegen NGOs vorgebracht werden.
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