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Foto: Irma Flesch

Der Weg zur Freiheit

27. Juni 2013

Phil Glass Gandhi-Oper Satyagraha – Opernzeit 07/13

Südafrika am Ende des 19. Jahrhunderts: Inder werden als billige Fremdarbeiter ausgenutzt und wegen ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert. Ihre Lage bessert sich erst, als der junge Rechtsanwalt Gandhi zum gewaltlosen Befreiungskampf aufruft.

Gandhi entwickelte während seines gut zwanzigjährigen Aufenthalts in Südafrika das Konzept des Satyagraha, das Festhalten an der Wahrheit, das sich auf die geistigen Traditionen des Hinduismus stützt. Ziel ist es, den Unterdrückten ihre Würde zurückzugeben. Dazu ist zum einen eine geistige Läuterung nötig, die den Menschen gleichgültig gegen Erfolg und Misserfolg seines Handelns macht und ihn für das Wohl aller eintreten lässt. Der friedliche Widerstand soll den Gegner zu einer Lösung drängen, die für alle beteiligten Parteien annehmbar ist, ohne dass eine Seite als Sieger oder Verlierer dasteht. Unter Wahrheit versteht Gandhi nichts Absolutes, sondern das, was Übereinstimmung und Gemeinschaft zwischen den Menschen schafft – eine Gesellschaft, in der Gerechtigkeit herrscht.

Die Oper thematisiert, wie Gandhi zum Satyagraha findet. Sie beginnt mit einer Kampfszene aus der Bhagavadgita, einem alten hinduistischen Text, in der sich Freunde und Verwandte als Feinde gegenüberstehen und Hindu-Gott Krishna den Kriegsführer Arjuna belehrt. Die Lektüre dieses Konflikts wird zum Schlüsselerlebnis für Gandhi, das ihn den Kampf gegen das Unrecht in Südafrika aufnehmen lässt. Er lebt mit seinen Anhängern auf einer Farm nach den Grundsätzen der Enthaltsamkeit, Keuschheit und kollektiven Arbeit zum Wohl der Allgemeinheit. Der friedliche Widerstand gegen den Black Act der britischen Kolonialmacht in Südafrika, der die indische Minderheit diskriminierte, die Gründung der unabhängigen Zeitung „Indian Opinion“ und der Marsch von Newcastle als Solidaritätsbekundung mit streikenden Bergarbeitern sind die historischen Ereignisse aus Gandhis Leben in der dreiaktigen Handlung.

Die einzelnen Szenen sind nicht dramatisch, sondern als statische Tableaus gestaltet, wohingegen die Musik dem Prozess des permanenten Wandels unterworfen ist. Glass komponiert keine grellen Kontraste, sondern einfache harmonische Strukturen und repetierende musikalische Patterns, die sich sehr langsam verändern, so dass sich der Eindruck eines unaufhörlichen Fließens der Musik einstellt, die den Hörer in einen meditativen Zustand versetzt. Dem Komponisten geht es darum, „a new way of attention“, eine höchste Bewusstheit der Wahrnehmung zu erzeugen. Glass’ „minimal music“ ist Ausdruck der spirituellen Bewegung des New Age in den 70er und 80er Jahren, die sich als Gegenbewegung zu der Entwicklung in den Industrienationen verstand und neue Impulse in der fernöstlichen Kultur suchte. Glass lebte einige Jahre in Indien, um indische Musik zu studieren und Gandhis Spuren zu folgen. Diese Erfahrungen, vor allem die Technik der Ragas, verarbeitet er in seiner 1980 in Rotterdam uraufgeführten Oper, die vor allem von einem Publikum begeistert aufgenommen wurde, das sonst nicht in die Oper geht: Friedensaktivisten, Alternative und Anhänger der linken Szene.

Das Libretto ist in Sanskrit verfasst, der liturgischen Sprache des Hinduismus. Der Schlussgesang Gandhis erklingt in Form eines Mantras, das ihn auf einer höheren Bewusstseinsstufe mit Krishna vereint.

Satyagraha zeigt den Weg einer politischen Befreiung auf, die durch hinduistische Lehren beeinflusst ist. Zugleich ist Satyagraha der Gegenentwurf zu religiösem Fanatismus und Gewalt. Das macht dieses Werk aktueller denn je. Die Oper Bonn bietet die seltene Gelegenheit, Gandhis Satyagraha auf der Bühne zu sehen.

„Satyagraha“ I 4./12.7. 19.30 Uhr I Oper Bonn I www.theater-bonn.de

KERSTIN MARIA PÖHLER

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