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Die Saat des heiligen Feigenbaums

Die Saat des heiligen Feigenbaums
Iran, Frankreich, Deutschland 2024, Laufzeit: 147 Min., FSK 16
Regie: Mohammad Rasoulof
Darsteller: Misagh Zare, Soheila Golestani, Mahsa Rostami
>> tickets.alamodefilm.de/die-saat-des-heiligen-feigenbaums/tickets

Iranisches Familiendrama mit Symbolkraft

Film als Waffe
„Die Saat des heiligen Feigenbaums“
von Mohammad Rasoulof

Iman (Misagh Zareh) steht als Regierungsbeamter in der Warteschleife. Die sehnlichst erwünschte Beförderung lässt schon lange auf sich warten. Umso größer ist die Freude, als er nun doch zum Ermittlungsrichter am Revolutionsgericht befördert wird. Das freut auch seine Frau Najmeh (Soheila Golestani), die nicht nur stolz auf ihren Mann ist, sondern auch auf eine größere Wohnung für das Paar und seine beiden Töchter, der Studentin Rezvan (Mahsa Rostami) und der Schülerin Sana (Setareh Maleki), hofft. Als die Familie den Erfolg bei einem gemeinsamen Restaurantbesuch feiert, hält sich die Freude der beiden Mädchen jedoch in Grenzen. Denn von nun an sollen sie immer den Hijab tragen, ihre Freundinnen mit Bedacht auswählen und auch in den sozialen Netzwerken sehr vorsichtig sein. Die kleinsten ‚Fehltritte‘ der beiden könnten die Stellung des Vaters und der ganzen Familie gefährden.

Noch vor der Aufführung des Films letzten Frühling im Wettbewerb von Cannes machte dessen Regisseur Schlagzeilen. Kurz vor den Filmfestspielen postete der iranische Regisseur Mohammad Rasoulof in den sozialen Netzwerken ein kurzes Statement: „Ich hatte nicht lange Zeit, um eine Entscheidung zu fällen. Ich musste mich zwischen Gefängnis und der Flucht aus dem Iran entscheiden. Schweren Herzens habe ich mich für das Exil entschieden.“ Sein neuer Film „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ war zwar zum Wettbewerb in Cannes eingeladen, doch er würde wahrscheinlich nicht anwesend sein. Wie seine iranischen Kolleg:innen Jafar Panahi („Taxi Teheran“, 2015) oder Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha („Ein kleines Stück vom Kuchen“, 2024) konnte er schon zuvor einer Einladung der Berlinale nicht folgen, weil er nicht aus dem Land gelassen wurde. Rasoulof hatte 2020 bei der Berlinale in Abwesenheit den Goldenen Bären für seine Film „Doch das Böse gibt es nicht“ gewonnen. Kurz darauf wurde er zu einer Haftstrafe verurteilt. Im Jahr 2021 konnte er nicht als Jurymitglied der Berlinale teilnehmen, weil er abermals keine Reisegenehmigung erhielt. 2022 wurde er noch einmal zu einer Haftstrafe verurteilt. Nach der Einladung seines neuen Film nach Cannes wurde das Filmteam unter Druck gesetzt, ihm selber drohten nun acht Jahre Haft. Schweren Herzens setzte er sich über Bergpfade in die Türkei ab. Heute lebt er ebenso wie die beiden Darstellerinnen der Töchter unter Sicherheitsvorkehrungen in Deutschland, weil es nicht zum ersten Mal so wäre, dass Regimegegner:innen des Iran auch außerhalb des Landes bedroht, gekidnappt oder getötet werden.

Im Inneren des Landes geht das totalitäre religiöse Regime noch radikaler vor. In Rasoulofs Film merken das nicht nur die Töchter, sondern langsam auch die Mutter und der streng religiöse Vater. Der wurde keinesfalls wegen seiner guten Leistungen befördert, sondern weil es bei den gerade ausbrechenden Protesten im ganzen Land nicht genügend Staatsdiener gibt, die ohne Verhandlung hunderte von Todesurteilen unterschreiben. Iman leidet unter dem moralischen Druck, findet aber keinen Ausweg. Seiner Familie verschweigt er seine neuen beruflichen Aufgaben. Die Töchter und schließlich auch die Mutter verheimlichen ihm wiederum, dass sie Sadaf (Niousha Akhshi), einer bei den Protesten verletzten Studienkollegin von Rezvan, in der Wohnung Zuflucht bieten. Als die Iman zur besseren Selbstverteidigung von der Regierung bereitgestellte Pistole plötzlich fehlt, schlagen seine moralischen Zweifel an der eigenen Arbeit in Angst und Wut um. Er verdächtigt seine Töchter, die Pistole geraubt zu haben.

Der Film ist im Geheimen und unter strengsten Vorsichtsmaßnahmen im Iran entstanden. Was beim Schreiben des Drehbuchs noch unverfänglich ist, wird schon mit der Auswahl von Crew und Cast zur ständigen Bedrohung, entdeckt zu werden. Das Team wurde möglichst klein gehalten. Gedreht wurde wie bei vielen Filmen seiner Landsleute hauptsächlich in Innenräumen – Wohnungen oder Autos – und nur im letzten Teil des Films in einem verlassenen Dorf. Rasoulof ist wesentlich konkreter in seiner Regimekritik als die meisten vergleichbaren Filme, auch wenn hier symbolhafte Erzählelemente ebenfalls zum Tragen kommen. Eingeflochten in den familiären Konflikt sind Videos von den realen Protesten in den Straßen des Iran. Und die vermisste Waffe wird im Film zu einer ganz anderen Art von Waffe!

(Christian Meyer-Pröpstl)

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