Was Andrew Lloyd Webber für den Mainstream ist, ist Stephen Sondheim für das Arthouse-Musical. Wie schwer es Sondheim hierzulande hat, zeigte letzten Herbst ein Experiment der UCI-Multiplexe. Statt einer Oper aus der „Met" übertrug man eine Broadway-Produktion seines „Merrily We Roll Along" auf die Kinoleinwand, vor der in Köln-Hürth gerade einmal ein Dutzend Musicalfans saßen. Solche Sorgen muss sich Disney wohl nicht machen, hat es „Into the Woods" doch von Musical-Spezialist Rob Marshall („Chicago") familienfreundlich umsetzen lassen.
„Into the Woods" ist eine geistreiche Verknüpfung des amerikanischen Märchens von „Hans und die Bohnenranke" mit Motiven aus Grimms Märchen, die Sondheim und sein Autor James Lapine unter dem Blickwinkel von Bruno Bettelheims psychoanalytischer Deutung betrachten:Aschenputtel, ihre Stiefmutter und -schwestern, zwei Prinzen, Rapunzel, Rotkäppchen, seine Großmutter und der böse Wolf treffen auf Hans,seine Mutter, eine Riesin und ein Bäcker-Ehepaar, dem eine Hexe seinen Kinderwunsch erfüllen will. Wenn...?
Zum Glück hat der Verleih die Songs im Original (mit Untertiteln) belassen. So behalten Sondheims Texte ihre Doppeldeutigkeit und man hört die Stars (Anna Kendrick, Emily Blunt, Meryl Streep) mit ihrer eigenen Stimme singen. Johnny Depp, der den bösen Wolf als pädophilen Kinderschreck in einem an Tex-Avery-Comics erinnernden Outfit spielt, ist dazu das – viel zu schnell schmelzende – Sahnehäubchen auf Marshalls Inszenierung, die dem Musical durch das Streichen einiger Songsund Handlungsstränge bisweilen seinen subversiven Charakter nimmt. So wird aus dem Bühnen-Musical ein familienkompatibler Märchenfilm, in dessen (deutschem) Trailer erstaunlicherweise kein einziger Song erklingt. Solch eine irreführende Werbestrategie hat Sondheims Meisterwerk eigentlich nicht verdient.
Apropos Comics: Auch Anette Wolfs Inszenierung von Sondheims erstem eigenständigen Musical „A Funny Thing Happened on the Way to the Forum" am Theater Hagen bedient sich schon im deutschen Titel „Die spinnen, die Römer!" bei Asterix und Obelix, um dann beim phantasievollen Bühnenbild von Lena Brexendorff auf die „Super Marios" zurückzugreifen. In dem tummeln sich die Jungfrau Philia, der in sie verliebte Hero und dessen Eltern Senex und Domina. Ferner Lycus, der Besitzer eines Bordells, ein cholerischer Feldherr und die beiden Sklaven Hysterium und Pseudolus, der uns auch durch die zwischen Burlesque-Show, Slapstick-Klamotte und Pop-Ästhetik angesiedelte Handlung führt. Ein ständig mit aufblasbarem Rollator durch die Szenerie geisternder alter Mann verhilft dem turbulenten Verwechslungsspiel schließlich zum Happy End. Eine Ensemble-Leistung wie aus einem Guss, die einfach nur gute Laune verbreitet und einen nur allzu bereitwillig in den Opening-Song einstimmen lässt: „Etwas Obszönes, etwas sehr Schönes, etwas für Jedermann – denn Comedy gibt's heut..."
„Into the Woods" | im Kino
„Die spinnen, die Römer!" | Mi 18.3. 19.30 Uhr | Theater Hagen | www.theaterhagen.de
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