Die 1950 in Detmold geborene Iris Berben zählt bereits seit vielen Jahrzehnten zu den bekanntesten und beliebtesten Schauspielerinnen in Deutschland. Mit ihren Auftritten in den Serien „Sketch-up“ oder „Rosa Roth“ hat sie Fernsehgeschichte geschrieben. Auch anspruchsvolle Rollen wie in „Silberhochzeit“, „Buddenbrooks“ oder „Krupp – Eine deutsche Familie“ meistert die mit Bambi, Goldener Kamera und Grimme-Preis ausgezeichnete Schauspielerin mit Bravour. Nach ihren Auftritten in „Jugend ohne Gott“ und „High Society“ ist sie nun in Sönke Wortmanns „Der Nachname“ zu sehen, der am 20. Oktober auf die Leinwände kommt.
engels: Frau Berben, die Fortsetzung eines Remakes zu drehen ist eher ungewöhnlich, trotzdem hat es hier gut funktioniert. Waren Sie trotzdem zunächst skeptisch?
Iris Berben: Bei so etwas hat man immer Angst, gerade, wenn etwas erfolgreich war. Aber ich fand schon das Drehbuch klasse. Die anderen Kollegen waren sehr schnell wieder mit an Bord. Ich habe ebenfalls zugestimmt, aber meine Entscheidung hing sehr stark vom Drehbuch ab. Doch schon die erste Fassung machte deutlich, dass hier wirklich etwas weitererzählt und nicht einfach eine alte Idee wieder aufgewärmt wird.
Es ist ja tatsächlich das gesamte Team von „Der Vorname“ wieder mit dabei, hat sich das zwischen Ihnen allen wirklich ein bisschen wie Familie angefühlt?
Für den ersten Film hatte ich ja nur zwei Drehtage, das war lediglich ein Gastauftritt der kiffenden Oma. Insofern hatte ich damals nur wenig Kontakt zu den anderen Darstellern. Für alle anderen war es tatsächlich wie Family, die waren eingespielt. Auch zu mir gab es keinen einzigen Tag des Fremdelns, ich bin sofort in den Kreis aufgenommen worden, zumal das auch alles Kollegen waren, die ich aus anderen Zusammenhängen her kenne. Es war ein sehr leichtes, entspanntes und gutes Drehen, weil man sich wirklich konzentrieren konnte auf das, was wir erzählen wollten.
Wie muss man sich denn den Dreh auf Lanzarote, einer Urlaubsinsel, mitten in der Corona-Pandemie vorstellen?
Als wir auf die Insel kamen, gab es dort auch gerade einen Lockdown. Menschen mussten auch im Freien mit Maske herumlaufen, die Restaurants waren geschlossen. Man hatte uns dort sehr separiert in einer großen Anlage untergebracht, wir durften auch untereinander keinen unnötigen Kontakt haben. Man hat unter anderen Vorzeichen gedreht, konnte aber sehr gut damit umgehen. Durch Corona war die Situation angespannt, aber wir durften arbeiten, das sollte man nie unterschätzen. Die Insel selbst fand ich sehr spannend, so archaisch, mit einer beeindruckenden Weite, obwohl es eine kleine Insel ist. Das hat das Drehen unterstützt, denn meine Figur ist ein Freigeist, die nicht umsonst auf solch einer Insel lebt. Da zu der Zeit nicht viele Touristen auf Lanzarote waren, konnte man das Meer und die Natur sehr genießen. Obwohl das für die Insel und die Menschen dort natürlich sehr traurig ist, weil sie von den Touristen leben.
Man spürt im Film wieder Sönke Wortmanns unglaubliches Comedy-Timing. Hat er die Szenen besonders lange geprobt, um dieses Ergebnis zu erlangen?
Das wäre schön (lacht). Sönke verlangt von einem, dass man gut vorbereitet ans Set kommt. Er hat schon den kompletten Film, bis hin zu einzelnen Schnitten, im Kopf und weiß ganz genau, was er will. Zusammen mit seinem Kameramann kommt er unglaublich gut vorbereitet an, und er verlangt dasselbe von seinen Schauspielern, was meiner Meinung nach aber auch die Voraussetzung für unseren Beruf ist. Hinzu kommt, dass er sich für eine Komödie natürlich auch Darsteller sucht, die in diesem Bereich Erfahrungen haben und wissen, was Timing bedeutet. Aber er ist der Meister, der mit seinem Taktstock dort steht, der Dirigent. Und dadurch ging der Dreh relativ schnell. Das hängt in erster Linie mit der guten Vorbereitung und mit Leseproben zusammen. Nach einem ersten Durchgang erwartet er dann von dir, dass du beim eigentlichen Dreh voll da bist und dich an das hältst, was abgesprochen war.
Durch die Vorlage und die Reduzierung auf Ort und Figuren hat auch „Der Nachname“ etwas Theaterhaftes. Sie selbst sieht man auf der Bühne allerdings nur bei Rezitationen und Lesungen. Hätten Sie nicht auch mal Lust auf eine Theaterrolle?
Ich habe ganz zu meinen Anfängen auch Theater gemacht. Es gibt ein paar ganz wunderbare Kollegen und einige hervorragende Regisseure, die es mir auch heute noch immer wieder anbieten. Es hat vermutlich damit zu tun, dass man sich wirklich darauf einlassen und alles andere wegsondieren muss. Denn mit Proben und Aufführungen belegt Theater einen sehr langen Zeitraum, in dem ich keine Angebote für Film- und Fernsehrollen annehmen kann. Deswegen hat sich das lange nicht mehr ergeben. Im Grunde genommen weiß ich, dass mir das fehlt, denn bei meinen Rezitationsabenden merke ich immer wieder, wie ich dieses Unmittelbare und den direkten Austausch mit dem Publikum liebe. Es ist spannend zu sehen, ob man es schafft, einen Raum ruhig und aufmerksam zu halten. Das würde ich auch gerne mal wieder in einer Theaterrolle erleben, das ist genau mein Punkt. Mal sehen, wann ich es endlich mal schaffe.
Dorothea ist eine kiffende Alt-68erin, Sie selbst sind in dieser Zeit bekannt geworden und haben mit „Brandstifter“ gleich einen sehr politischen Film zum Einstand gedreht. Hat Sie diese Zeit sehr geprägt?
Ja, ich denke, dass sie mich bis heute prägt. Sicherlich bin ich Dorothea nah als ein Mensch, der ein Freigeist ist, sich auch immer wieder erarbeitet, frei zu bleiben, sich nicht von den vielen Fallstricken des Lebens einfangen lässt, sondern das Leben immer wieder in seiner Veränderung annimmt. Man muss sich dieser Veränderung stellen, risikofreudig bleiben, Dinge hinterfragen – das alles hat mich sehr geprägt und hält mich bis heute wach. Energien bekommt man und schöpft sie, indem man wirklich am Leben teilnimmt, mit allem, was dazugehört. Und das versuche ich.
Gleichzeitig ist sie der Ruhepol des Films, um die herum das Chaos ausbricht. Ist das auch etwas, was Ihrer aktuellen Lebenssituation entspricht?
Ich fürchte, da sind die gute Dorothea und ich doch ein wenig auseinander. Ich liebe das Chaos und führe es auch gerne herbei. Ich bin eher ungeduldig. Kiffen war nie mein Ding, das war mir immer alles zu ruhig und zu heruntergefahren. Ich bin eher genau das Gegenteil. Aufputschen halte ich für spannender. Der Ruhepol Dorotheas ist natürlich dem Konsum ihrer Haschkekse und ihrer Joints geschuldet, aber da unterscheiden wir uns. Nein, ich bin immer eher Aufbruch und der kleine Terrier.
Auch in Sachen Ehe scheinen Sie sich zu unterscheiden, für Dorothea ist diese sehr wichtig, und Sie haben nie geheiratet …
Richtig, da gibt es in der Auffassung sicherlich Unterschiede. Das ist schon sehr stark der Zeit geschuldet, in der ich aufgewachsen bin, das hat sich dann durch mein Leben gezogen, was mich aber nicht davon abgehalten hat, doch sehr lange Beziehungen zu haben. Meine Beziehung mit Gabriel Lewy dauerte über 30 Jahre, und die jetzige hält nun auch schon 15 Jahre. Ich bin im Privaten eher Langstreckenläufer, aber ich brauche die Institution der Ehe nicht als Akt, da unterscheide ich mich von Dorothea, das stimmt.
Und wie sieht es mit der Identitätsstiftung durch den Nachnamen aus, die im Film angesprochen wird – immerhin hat Ihr Sohn Oliver Ihren Nachnamen …
Ja, dadurch, dass ich mein Kind alleinerziehend großgezogen habe. Aber darüber habe ich mir erst sehr viel später Gedanken gemacht. Dadurch, dass ich nicht geheiratet habe, trägt mein Sohn meinen Nachnamen jetzt auch, und er hat ihn auch innerhalb seiner Ehe nicht verändert. Es gibt ja mittlerweile auch Männer, die in der Ehe den Namen ihrer Frau annehmen. Diese Art der Diskussion ist mir allerdings ziemlich fremd. Aber in Gesprächen mit Freunden habe ich festgestellt, wie wichtig das vielen doch ist, einen Namen weiterzutragen und durch ihn eine Identität weiterzugeben. Aber ich selbst sehe das ein bisschen anders.
Ihr Comedytalent haben Sie schon sehr früh zur Entfaltung gebracht, dann haben Sie sich lange Zeit auf eher ernste Rollen konzentriert. Nun spielen Sie in den letzten Jahren wieder verstärkt in Komödien, ist das Ihre große Leidenschaft?
Ich muss Ihnen sagen, dass ich damals recht abrupt mit Komödien aufgehört habe, weil ich nicht vereinnahmt werden wollte, nur noch Comedy zu drehen. Komödien zu schreiben ist Königsklasse. Es wird ja oft abgetan, dass etwas „nur“ eine Komödie ist. Komödie zu schreiben ist schwer, und eine gute Komödie zu inszenieren ist ebenso schwer. Das hat ganz viel mit Timing zu tun. Und was Menschen zum Lachen bringt und was nicht, bewegt sich auf einem sehr schmalen Grat. Zu dieser Zeit gab es kaum gute Bücher, und ich wollte mich auch weiter ausprobieren, wie ich es auch heute noch will. Aber, Sie haben Recht, dann kamen Filme wie „Miss Sixty“, „Traumfrauen“ oder „High Society“, wo man mal wieder so richtig schräg sein konnte. Natürlich macht mir das Spaß, zuletzt auch wieder in „Unter Freunden stirbt man nicht“. Das Überspitzen von Figuren macht mir große Freude. Es ist schön, dass es für mich wieder mehr Stoff gab, bei dem ich gerne dabei war. Aber nach wie vor finde ich es spannend, neue Dinge auszuprobieren, von denen ich im Vorfeld nicht weiß, ob ich das schaffen kann.
Sie waren drei Amtszeiten lang bis 2018 Präsidentin der Deutschen Filmakademie. Hat Sie das auch in der Wahrnehmung der deutschen Filmszene verändert?
Absolut, weil ich als Schauspielerin natürlich nie so viele Einblicke hatte in die unterschiedlichen Gewerke, in die Mechanismen dieser Gewerke, in die politische Verantwortlichkeit, in Produktionsvorgänge. Alles das ist mir auf eine ganz andere Weise nahegebracht worden. Das hat mich meinem Beruf gegenüber noch viel mehr sensibilisiert, obwohl ich schon immer versucht hatte, ihn mit Respekt auszufüllen und auszuüben. Dadurch konnte ich viel mehr erfahren. Das muss man als Schauspielerin nicht alles wissen, aber es hat mich sehr bereichert und meine Liebe zu diesem Beruf bestärkt. Den anderen Gewerken begegne ich seitdem auf einer ganz anderen Augenhöhe, weil ich nun viel mehr über deren Belange weiß und viel besser mitreden kann. Das war eine spannende Zeit und ich bin sehr glücklich und dankbar, dass ich das neun Jahre lang machen konnte.
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