Als Sohn südkoreanischer Gastarbeiter kam Teo Yoo 1981 in Köln zur Welt und verbrachte seine Kindheit und Jugend in Deutschland. Nach einem Schauspielstudium am renommierten Lee Strasberg Theater and Film Institute in New York übernahm er rasch zahlreiche Rollen in internationalen Produktionen, darunter in „One on One“ von Kim Ki-duk, in „Seoul Searching“ von Benson Lee oder in „Die Frau im Nebel“ von Park Chan-wook. Für „Vertigo“ erhielt er 2020 in Seoul den Blue Dragon Award. Aktuell ist er in der Netflix-Comedyserie „Love to Hate You“ in der Hauptrolle zu sehen. Am 10. August startet sein neuer Film „Past Lives – In einem anderen Leben“ in den Kinos.
engels: Herr Yoo, in Korea sind Sie einer der größten Stars, aber Sie sind in Köln geboren und aufgewachsen. Was sind Ihre Kindheitserinnerungen an diese Stadt?
Teo Yoo: Meine Erinnerungen an Köln sind relativ gut. Ich bin auf das Georg-Büchner-Gymnasium (GBG) in Köln-Weiden gegangen. In der Unter- und Mittelstufe davor habe ich meine Schulen zweimal wechseln müssen, weil wir oft umgezogen sind. Bis zum Ende der Grundschule bin ich in Köln gewesen, für die Unterstufe war ich dann einige Jahre in Bonn-Bad Godesberg, fünf Jahre haben wir in Königswinter gelebt, bis ich 15 Jahre alt geworden bin. Danach sind wir zurück nach Köln gezogen, wo ich dann auf das GBG gegangen bin. Nach dem Abi bin ich nach Amerika, um dort meine Schauspielausbildung zu machen.
Genau wie die „Past Lives“-Regisseurin Celine Song sind auch Sie in unterschiedlichen Kulturen aufgewachsen. Welche davon hat Sie denn am meisten geprägt?
Mein Immigrationshintergrund hat mir immer ein wenig das Gefühl eines Außenseiters gegeben. Auf mich trifft das gleich doppelt zu. Viele der Immigrationsfamilien haben ihre Wurzeln in der Arbeiterklasse oder in der mittleren Mittelschicht. Deswegen hatte ich keinerlei künstlerische Vorprägungen. Aber ich habe mich immer ein bisschen anders gefühlt als meine Freunde. Denn es gibt nicht sehr viele Menschen aus dem deutsch-koreanischen Bereich heraus, die in der darstellenden Kunst arbeiten. Deswegen habe ich mich schon oft seltsam oder einsam gefühlt. In der Oberstufe hatte ich eine glückliche Kombination aus Lehrern, obwohl das GBG eher als naturwissenschaftliches Gymnasium bekannt ist. Mein Englischlehrer, meine Philosophielehrerin und mein Deutschlehrer in der Oberstufe waren für mich sehr prägend. In der Zeit, in der man nicht mehr so sehr grammatisch und anhand von Basiskenntnissen arbeitet, sondern sich mehr interpretativ mit den Materialien befasst, da wurden dann auch meine Noten besser (lacht). Eigentlich wollte ich dann nur für ein Auslandsjahr in die USA gehen und danach auf die Sporthochschule, aber dann hat es sich so ergeben, dass ich ein Jahr lang ans Lee Strasberg Theater and Film Institute gehen konnte. Für mich war mein Immigrationshintergrund ein Stückweit auch ein Treibstoff, um die Welt mit mehr Empathie für andere anzuschauen.
In Korea empfinden es etablierte Schauspieler eher als Beleidigung, für eine Rolle zum Casting vorsprechen zu müssen. Warum haben Sie sich bei diesem Film dennoch darauf eingelassen?
Die Filmindustrie ist in Korea viel kleiner als beispielsweise in Deutschland oder Amerika, und das ist deswegen ein Unterschied im System. Dort gibt es keine Agenten für Schauspieler, sondern jeder kennt jeden, und die Agenten dort kümmern sich eher um die Filmprojekte selbst. Ich weiß aber, dass die Situation in Deutschland und den USA anders ist, deswegen habe ich mich nie vor dieser doppelten, harten Arbeit gescheut. Aus meinem westlichen Background heraus weiß ich, dass man mitunter Selftapes von sich machen oder eben zu Vorsprechterminen gehen muss. Als sich bei „Past Lives“ die amerikanische Produktionsfirma A24 an die koreanischen Manager gewendet hat, hat mich keiner von denen bezüglich dieses Projekts angesprochen, denn ich bin auch nicht der klassische koreanische Mann in Korea, ich bin also auch dort wieder der Außenseiter. Ich bin kein traditioneller Koreaner, sondern ein Kyopo, so werden Menschen aus der koreanischen Diaspora bezeichnet, die also außerhalb von Korea aufgewachsen sind. Aber mein amerikanischer Manager meinte, dass ich die Rolle gut spielen könnte, deswegen bin ich über die Amerikaner zum Casting eingeladen worden. Zuerst habe ich ein Video von mir aufgenommen, und nach einer Woche habe ich dann ein Callback von Regisseurin Celine Song erhalten. Wir hatten einen Zoom-Call, der fast drei Stunden gedauert hat, ein wirklich hartes Casting, bei dem mich Celine hintereinander zwei-, dreimal das ganze Drehbuch hat spielen lassen. Da erkannte ich schon die Chemie zwischen uns, und zwei Wochen nach dem zweiten Callback wusste ich dann, dass ich die Rolle habe.
Zwischen den verschiedenen Abschnitten im Film, in denen man Ihre Figur sieht, vergehen zwölf Jahre. Sie sehen in den späteren Abschnitten wirklich deutlich reifer aus. Wie haben Sie das hinbekommen?
Ich persönlich entwickle für jede der Rollen, die ich spiele, zunächst einmal einen Lebenslauf. Aus den Umständen heraus entwickle ich mir eine imaginäre Welt, in der die Figur aufgewachsen ist. Das prägt die Psychologie der Rolle. Wenn ich diese Hausaufgaben gemacht habe, fällt es mir nicht schwer, in die verschiedenen Zeitperspektiven der Figur hineinzugehen. Man verändert sich zunächst emotional, und daraus dann auch die Körpersprache. Da gibt es ein paar psychologische Tricks, und ich hoffe, dass es dann am Ende glaubwürdig rüberkommt.
Ein wichtiges Element im Film ist das In-Yun, ein koreanisches Konzept über das Schicksal zweier Menschen. Geht es Ihrer Meinung nach im Film auch um verpasste Chancen?
Es kommt darauf an, wie man als Publikum den Film und In-Yun interpretiert. Wenn man sich auf das Konzept des In-Yun einlässt, dann ist es keine verpasste Chance, sondern jetzt, in diesem Leben, ist es ein verpasstes In-Yun, weil die beiden im Leben davor und vielleicht im Leben danach dann doch wieder zusammenfinden. In Korea wird das Konzept von In-Yun wirklich alltäglich benutzt. Es ist kein tiefes philosophisches Konzept. Es wissen natürlich alle, dass es sich an Reinkarnation anlehnt, aber es wird eher locker-flockig und anekdotisch benutzt, damit man im sozialen Rahmen Gesprächsstoff hat.
Nora träumt auch in all den Jahren, die sie in den USA lebt, noch immer auf Koreanisch. Wissen Sie, in welcher Sprache Sie am häufigsten träumen?
Ich träume immer auf Koreanisch mit englischen Untertiteln (lacht). Nein, das war ein Scherz. Ich träume eigentlich nie in Sprachen, sondern immer sehr abstrakt. Das ist ja bei jedem Träumenden anders. Wenn ich wach bin, mache ich mir bewusst sehr viele Gedanken über Sprache und Kulturen, aber in meinen Träumen ist es immer abstrakt.
Sie sprechen so perfekt Deutsch, hatten Sie nie den Wunsch oder Angebote, mal einen Film auf Deutsch zu drehen?
Ja, es gab ein paar Projekte, auf die mich die Regisseure, Produzenten oder Caster angesprochen haben. Manchmal hat mich das Material nicht interessiert, manchmal hat es zeitlich nicht funktioniert, manchmal hat die Gage nicht gestimmt. Irgendwas hat immer nicht gepasst, aber ich habe mich immer sehr über diese Angebote gefreut. Für mich ist Deutsch eigentlich meine Muttersprache, die erste Sprache, die ich gelernt habe. Meine Schauspielausbildung habe ich auf Englisch gemacht. Deswegen wäre es für mich schon interessant, nach meiner koreanischen und meiner amerikanischen Karriere zurück nach Deutschland zu kommen. Ich fände es spannend zu sehen, wie sich das technisch in meinem Kopf mit meinem inneren Leben emotional verbinden und dann ausdrücken würde. Das macht mich schon sehr neugierig und würde mich interessieren. In „Past Lives – In einem anderen Leben“ habe ich nun die englischsprachigen Stellen für die deutsche Synchronfassung selbst synchronisiert, mit einem gespielten deutsch-koreanischen Akzent.
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