Es gibt Stücke, die inszenieren sich beinahe von selbst. Richard Straussens und Hugo von Hofmannsthals Kammeroper „Ariadne auf Naxos“ ist ein solches Stück. Erst knapp 100 Jahre hat der Einakter mit Vorspiel auf dem Buckel und bedarf als zeitlos hintergründiges „Theater auf dem Theater“ nicht einmal einer besonderen Aktualisierung: Ein neureicher Mäzen gibt eine ernste Oper für einen festlichen Abend in Auftrag. Wie sich kurz vor der Uraufführung herausstellt, handelte es sich weniger um die Herzensangelegenheit eines Feingeists als um das Prestigeprojekt eines Kretins. Denn als der Zeitplan seiner Party aus den Fugen gerät, opfert er die hohe Kunst kurzerhand dem schnöden Amüsement. Das ernste Opernensemble muss sich plötzlich die Bühne mit der Showtanztruppe teilen, damit das Feuerwerk im Anschluss rechtzeitig stattfinden kann. Welch Katastrophe für den jungen idealistischen Komponisten – welch Verrat an der hehren Kunst!
Die Geschichte klingt nach einer sicheren Bank für eine leichte, publikumsträchtige Produktion zum Jahreswechsel. Sie ist es nicht in jedem Fall, wie Michael Sturminger an der Essener Aalto-Oper leider unter Beweis stellt. Seine Inszenierung ist konventionell, steif und einfallslos, kann nicht einmal mit handwerklichen Finessen auftrumpfen. Stattdessen bietet der Regisseur aus Wien seinem Publikum unbeholfene Rampengesänge und verschenkt jede Menge komödiantische Steilvorlagen. Dass seine Assistentin, die ausgebildete Tänzerin Christina Hennigs, sich auch als Choreographin einbringen darf, ändert daran nichts Wesentliches.
So kommt es, dass der Kontrast zwischen musikalischem und szenischem Geschehen kaum größer ausfallen könnte. Der scheidende Generalmusikdirektor und Intendant Stefan Soltesz kann am Pult seinen guten Ruf als Strauss-Kenner und -Könner bravourös verteidigen. Er entlockt der kleinen Orchesterbesetzung so viele klangliche Feinheiten, dass es eine Freude ist. Mit diesem Niveau können die Gesangssolisten nur teilweise mithalten. Es sind die Frauen, die am meisten stimmlichen Glanz verbreiten – allen voran Julia Bauer als Zerbinetta mit makellosen Koloraturen und eleganter Leichtigkeit in der Höhe. Michaela Selinger singt in der Hosenrolle des Komponisten insgesamt eine schöne Partie, stößt aber in der Höhe manchmal an ihre Grenze. Tenor Jeffrey Dowd zählt in Essen zu den altgedienten Strauss-Spezialisten. Als Bacchus fehlt es ihm allerdings etwas an Leichtigkeit und Strahlkraft.
Was auf der Bühne Aufmerksamkeit erregt, ist vor allem eine Videoeinspielung, die das Aalto-Theater selber mit ins Spiel bringt. Das hat Charme, ist aber nicht mehr als ein kurzer optischer Gag. Die Kostüme von Renate Martin und Andreas Donhauser sind zum Teil witzig, etwa die prolligen Hip-Hop-Outfits der Komödiantentruppe. Leider weiß die Regie solche Ansatzpunkte kaum auszuspielen. So gerät selbst die gut zweistündige Kurzoper zu einer länglichen Angelegenheit. Wem dabei zuweilen die Augen zufallen, verpasst nicht viel. Bloß die Ohren sollte man offen halten.
„Ariadne auf Naxos“ | 16.1. 19.30 Uhr | Aalto Musiktheater Essen | 0201 812 22 00
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