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Tödliche Bürde: Boris Gudonow (Dimitry Ivashchenko) übergibt die Insignien seiner Macht an seinen Sohn Fjodor (Ileana Mateescu)
Foto: Thomas Jauk

Mussorgskys Volksdrama im Originalklang

29. November 2012

Katharina Thoma inszeniert Boris Godunow in Dortmund – Oper in NRW 12/12

Schon wieder ist es ein Gewaltherrscher, dem Hausregisseurin Katharina Thoma einen großen Auftritt auf der Dortmunder Opernbühne bereitet. Doch anders als Francesco Cavallis „L’Eliogabalo“, dem römischen Kaiser in der vergangenen Spielzeit, taugt Modest Mussorgskys russischer Zar Boris Godunow so gar nicht für eine humorvolle Annäherung. Schon die dramaturgische Klammer des „musikalischen Volksdramas“ könnte düsterer kaum ausfallen: Aufstieg und Fall des Zaren werden jeweils mit dem Tod eines Kindes besiegelt. Einmal ist es der Tod des Zarewitsch Dimitrij, des jüngsten Sohns Iwans des Schrecklichen, welcher Godunow den erfolgreichen Griff nach der Macht ermöglicht. Dass der historische Gudonow 1598 den Kronprinzen tatsächlich ermorden ließ, ist nicht bewiesen. Alexander Puschkin, von dem Mussorgsky die Textvorlage für seine Oper übernahm, folgte allerdings der Legende. Die eigentliche Bluttat zeigt Thoma nicht. Dennoch bleiben keine Zweifel daran, was dem kleinen Jungen blüht, den die Männer in sowjetischen Offiziersuniformen langsam einkreisen und dann buchstäblich verschwinden lassen. Godunow, ein Herr im edlen Anzug, verfolgt das Geschehen auf Abstand.

Thoma wird bis zuletzt nicht eindeutig offenlegen, ob sie ihren Godunow im heutigen Russland verortet. Die Ausstattung legt dies allerdings nahe. Bühnenbildner Stefan Hageneier setzt vor allem auf Nüchternheit. Nackte Betonwände dienen als trostlose Plattenbaukulisse, lassen sich aber auch ohne lange Umbaupausen in andere Schauplätze verwandeln. Meistens funktioniert die reduzierte Kulisse mit ihren wenigen Requisiten gut, zumal Thoma – vor allem beim Spiel mit den Proportionen – einige schöne Ideen darin erkennen lässt. Zuweilen aber lähmt die Kargheit auch das Bühnengeschehen. Gleich der erste Akt, nach dem stummen Prolog, gerät zu einer reichlich zähen Angelegenheit, weil sich den beiden Darstellern kaum Ansätze zu äußerer Handlung bieten. Musikalisch hingegen bleiben bei dieser Produktion kaum Wünsche offen. Mit Sponsorenhilfe ist es Dortmund gelungen, für die Partie des Boris Godunow einen hochkarätigen Gast zu verpflichten. Bass Dimitry Ivashchenko singt technisch makellos und ausdrucksstark. Die Entwicklung vom machthungrigen Usurpator über den wohlmeinenden, aber scheiternden Herrscher bis zum angstzerfressenen Psychowrack gelingt ihm überzeugend. Aber es ist keineswegs eine One-Man-Show geworden. Bis in die kleinen Nebenrollen hinein und auch im hervorragenden Chor wird durchgehend auf hohem Niveau gesungen.

Dortmunds scheidender GMD Jac van Steen dirigiert eine Mischversion aus dem „Ur-Boris“ von 1870 und dem beträchtlich erweiterten „Original-Boris“, wie er 1874 zur Uraufführung kam. Für den Orchesterklang entscheidend ist, dass es sich um die originale Mussorgsky-Partitur handelt, welche lange als handwerklich ungeschickt und harmonisch schroff galt. Geglättete Bearbeitungen von Rimski-Korsakow beherrschten deshalb lange die Aufführungspraxis. Ein seltener Leckerbissen für Opernfans!

„Boris Gudonow“ von Modest Mussorgsky | R: Katharina Thomas | Fr 23.12. 19.30 Uhr | Oper Dortmund | 0231 5 02 72 22 | www.theaterdo.de

Karsten Mark

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