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Er hat ihr das Herz herausgerissen: S. Neal als Enrico und C. Rümann als Lucia
Foto: Thomas M. Jauk/Stage Picture

Schottischer Krieger mit Hornbrille

28. April 2011

Donizettis Lucia di Lammermoor an der Dortmunder Oper - Oper in NRW 05/11

Es ist eine rohe, gewalttätige Männerwelt, der die zarte Lucia di Lammermoor ausgeliefert ist. Regisseur Christian Pade stellt es gleich zu Beginn des ersten Aktes unmissverständlich klar. Gleich dutzendweise ballern die Jäger und Soldaten Vögel vom Himmel. Lucias Bruder Enrico, der Lord, lässt es sich nicht nehmen, den gerade erlegten Hirschen selber auszuweiden. Wütend rammt er dem toten Tier immer wieder sein Messer in den Bauch, reißt ihm die Eingeweide geradezu heraus, bevor schließlich noch der untergebene Hauptmann seinen Zorn handgreiflich zu spüren bekommt – als Überbringer schlechter Nachrichten. Es ist ein starker, heftiger Gefühlsausbruch, den Pade mit reichlich Kunstblut auf die Bühne der Dortmunder Oper bringt und der seine Wirkung nicht verfehlt. Zugleich wird klar: Mit dem düster-romantischen Ambiente des spätmittelalterlichen Schottlands haben Pade und Ausstatter Alexander Lintl nichts im Sinn. Sie demontieren es vollständig und – so jedenfalls scheint es zunächst – suchen den emotionalen Kern der Handlung herauszustellen.

Der Ansatz scheint vielversprechend, doch die guten Einfälle sind schnell verpufft, zum Teil von der Regie selber wieder zunichte gemacht. Wenn Tenor Charles Kim als Edgardo (eigentlich ein schottischer Krieger) in Business-Anzug und Hornbrille auftritt und sich per Handschlag von der Geliebten in die Ferne verabschiedet, bleibt nicht einmal etwas vom Kern übrig, was Gaetano Donizetti und sein Librettist Salvatore Cammarano einst im Sinn hatten. Doch damit nicht genug, stellt die Regie im zweiten Akt beinahe vollständig die Arbeit ein. Arien und Ensembles gibt es abwechselnd als reine Rampengesänge oder auf einem Sammelsurium schmuckloser Stühle vorgetragen, während sich immerhin die Drehbühne mit einem in wechselnden Farben beleuchteten Lammellenkasten noch bewegt.

Immerhin die Besetzung bietet einen wirklichen Lichtblick und bewahrt das Publikum vor dem sicheren Tiefschlaf. Mit Christina Rümann und Julia Amos stehen als Lucia zwei junge Koloratursopranistinnen im Wechsel auf der Bühne, die zwar über wenig dramatisches Gewicht, dafür aber über herausragende technische Leichtigkeit und jede Menge jugendlich-lyrische Ausstrahlung verfügen. Für die wichtige „Wahnsinnsarie“ im dritten Akt – Lucia hat ihren Zwangsehemann im Brautbett erstochen und ist nun dem Wahnsinn verfallen – bedeutet dies eine wesentlich dezentere, aber nicht minder überzeugende Auslegung als in anderen Inszenierungen. Immerhin gelingt es der Regie noch, die Klammer zu schließen. Lucia ist nun über und über mit Blut besudelt. Es ist das Blut des ungeliebten Mannes. Das Bild allerdings suggeriert: Es ist Lucia, der vom machtbesessenen Bruder das Herz herausgerissen wurde.

Rein musikalisch ist die Produktion durchaus lohnenswert. Neben der glänzenden Titelpartie singt auch Tenor Kim einen viel überzeugenderen Edgardo, als es seine alberne Kostümierung eigentlich zulässt. Und Simon Neal gibt einen kernigen, aber nicht eindimensionalen Enrico mit diabolischen Zügen. Am Pult macht Motonori Kobayashi einen grundsoliden Job. Vor allem in ihrem ausgewogenen Klangbild hinterlassen die Dortmunder Philharmoniker einen guten Eindruck.

„Lucia di Lammermoor“ von Gaetano Donizetti | R: Christian Pade | So 8.5. 18 Uhr, Mi 18.3., Fr 27.5., je 19.30 Uhr | Opernhaus Dortmund | 0231 502 72 22

Karsten Mark

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