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Virtuelle Schatzkisten können echt teuer werden
Foto: Yaroslav Stepannikov / Adobe Stock

Spielglück ohne Glücksspiel

31. Oktober 2024

Gegen teure Belohnungen in Videospielen – Europa-Vorbild: Belgien

Videospiele sind ein Riesengeschäft. Im Jahr 2022 konnte die Branche weltweit einen Umsatz von rund 200 Milliarden Euro verbuchen; es ist die bei weitem größte Unterhaltungsindustrie der Welt. Innerhalb der EU führt Deutschland den Markt an, weltweit steht es an sechster Stelle; der Umsatz in Deutschland betrug im Jahr 2022 rund 10 Milliarden Euro (Zahlen: Statista). Laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz spielen rund 60 Prozent der Menschen in Deutschland Videospiele – am Handy, am PC oder auf der Konsole.

Digitale Beute 

Ein wirtschaftliches Erfolgsmodell ist der Verkauf von „Items“, Elementen, die für für ein intensiveres Spielerlebnis unabdingbar sind. Gerade kostenlose Spiele locken so mit Ausrüstungsgegenständen wie Zaubertränken, Kleidung, Waffen oder Geld, die beispielsweise in Multiplayer-Spielen die Siegeschancen erhöhen sollen. In derartige Angebote können schnell einmal drei- oder vierstellige Beträge fließen – wohlgemerkt keine virtuelle Spielewährung, sondern echtes Geld. Besonders umstritten sind „Lootboxen“, digitale „Beutekisten“, beispielsweise in Spielen wie „Fifa“ oder „Call of Duty“: Gegen Bezahlung erhalten Spielende zufällige Belohnungen. Kritiker sehen in dieser Mechanik einen klaren Fall von Glücksspiel und fordern eine Regulierung. Denn während Glücksspiel in Deutschland erst ab 18 Jahren erlaubt ist, sind viele Spiele, die Lootboxen enthalten, für Kinder freigegeben.

Von wegen Überraschungseier

In Belgien hingegen gelten Lootboxen seit 2018 als illegales Glücksspiel. Ausschlaggebend für das Verbot war eine Diskussion um das Spiel „Star Wars Battlefront II“ im Jahr 2017. Hauptfiguren der Filmreihe wie Prinzessin Leia und Darth Vader konnten in dem Shooter nur durch Lootboxen freigeschaltet werden – eine Entscheidung, die viel Kritik in der Internet-Community erntete. Das Entwicklerstudio Electronic Arts (EA) verteidigte daraufhin sein Spiel, EA-Vizepräsident Kerry Hopkins verglich die Mechanik beschönigend mit Kinder-Überraschungseiern. Der belgische Justizminister Koen Geens auf der anderen Seite wies darauf hin, dass schon Kinder mit Lootboxen konfrontiert würden und Glücksspiel eine Gefahr für die psychische Gesundheit darstelle. Das belgische Gesetz sanktioniert Verstöße mit einer Geldstrafe über 800.000 Euro oder einer Gefängnisstrafe von bis zu 5 Jahren. Ein erster Erfolg des Verbotes zeigt sich in dem bei Kindern und Jugendlichen beliebten Spiel „Fortnite“, dessen Lootbox-Inhalte seit 2018 drastisch reduziert wurden.

Fairplay-Regeln

In Deutschland werden Lootboxen derzeit nicht als Glücksspiel eingestuft, da Spielende hierdurch keine höheren Geldbeträge gewinnen können. Doch die Debatte um Lootboxen läuft auch hierzulande: Die rot-grüne Landesregierung Niedersachsens schlug in einem Antrag vor, Spiele mit glücksspielähnlichen Inhalten erst ab 18 Jahren freizugeben. „Wir müssen der Spieleindustrie, die mit Spiele-Software in Deutschland jährlich Milliardenumsätze macht, Regeln für Fairplay vorgeben“, erklärte Verbraucherschutzministerin Miriam Staudte (Grüne) im Landtag. Die strengere Altersfreigabe soll Entwicklerstudios zudem dazu anregen, erst gar keine Spiele mit Lootboxen zu veröffentlichten. Die oppositionelle CDU schlägt ein monatliches Einzahlungslimit sowie eine verpflichtende Registrierung für Käufe innerhalb von Videospielen (In-Game-Käufe) vor. Ein Eingreifen der Politik fordert zudem der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert (SPD). Dem belgischen Vorbild entsprechend könnte auch in Deutschland bald über neue Regeln für die Gaming-Industrie entschieden werden.

Tim Weber

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