Die nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ausgerufene Zeitenwende muss für allerhand herhalten. Für einen traurigen Höhepunkt sorgte aber Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund (BVB), als dessen Vorsitzender der Geschäftsführung, Hans-Joachim Watzke, einen Sponsorenvertrag mit der Düsseldorfer Rüstungsschmiede Rheinmetall als Dienst an der Demokratie verbrämte. „Geld stinkt nicht!“, heißt es im Volksmund, der selbst nicht selten faulig riecht. Die BVB-Bosse jedenfalls zeigten wenig Ekel, als sie im Mai den drei Jahre währenden Werbe-Deal über 20 Millionen Euro unterschrieben. Ausgerechnet kurz vor dem Champions-League-Finale in London, dem wichtigsten BVB-Spiel im letzten Jahrzehnt, ließen die Clubbosse die „Bombe“ platzen. Fans waren entsetzt.
Vor nichts fies
Rheinmetall ist einer der größten Rüstungsproduzenten Deutschlands. Vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs stiegen die strategische Bedeutung sowie der Börsenwert des Unternehmens. Der Börsenkurs – Rheinmetall ist erst seit 2023 im DAX gelistet – stieg binnen fünf Jahren um fast 450 Prozent an. Der Umsatz liegt bei über sechs Milliarden Euro. Nun ist der Profifußball ein Milliardenbusiness, das vor nichts fies ist – siehe die WM 2022 in Katar. Doch glaubt man BVB-Boss Hans-Joachim Watzke, dann geht es bei dem Deal nicht nur um schnöden Mammon: „Sicherheit und Verteidigung sind elementare Eckpfeiler unserer Demokratie. Deshalb halten wir es für die richtige Entscheidung, uns sehr intensiv damit zu beschäftigen, wie wir diese Eckpfeiler schützen“, bewarb Watzke den Deal staatstragend.
Waffen gegen Zivilisten
Nur unterliegt Watzke da einem Irrtum, ist es Rheinmetalls Geschäftsmodell doch nicht, Demokratie(n) zu schützen. Das bis 2014 im östlich von Moskau gelegenen Mulino geplante Gefechtszentrum zur Ausbildung von Soldaten passt dazu jedenfalls nicht. Auf Eis gelegt wurden die Pläne dazu erst, als Russland 2014 die Krim annektierte – nicht freiwillig, sondern auf Druck der Bundesregierung. Die hatte indes das Projekt selbst lange unterstützt, wie der WDR berichtete. Hinzu kommen Rheinmetall-Deals mit Saudi-Arabien, das einen Krieg gegen seinen südlichen Nachbarn Jemen führt, unter dem vor allem die Zivilbevölkerung leidet. Damit der Konzern bei diesen Geschäften nicht von lästigen Dingen wie Rüstungsexport-Genehmigungen der Bundesregierung abhängig ist, werden die Geschäfte vornehmlich über Tochtergesellschaften im Ausland abgewickelt, wie die Tageszeitung taz im Mai schrieb.
Grundwerte-Kodex?
Viele Fans des BVB sind empört. Ende August, beim Bundesligaauftakt gegen Eintracht Frankfurt, stand die als „gelbe Wand“ bekannte Südtribüne geschlossen gegen den Werbe-Deal: „Wir lassen uns nicht vor euren Panzer spannen“, war noch eine der netteren Banner-Aufschriften. Auf der Fan-Seite schwatzgelb.de wurde im August in einem Beitrag gefragt, ob es „wirklich Aufgabe eines Sportvereins“ sei, „Werbung für einen (…) Hersteller von Tötungsgerät zu machen“. Dabei verwies der Autor auch auf den vor kaum zwei Jahren verabschiedeten Grundwerte-Kodex, wonach der BVB unter anderem Gewalt kategorisch ablehnt. Wie das mit einem Panzer und Granaten herstellenden Champion-Partner zusammenpasst, bleibt Geheimnis der Vereinsführung.
Dass es auch anders geht, bewies die andere Borussia aus Mönchengladbach: Der Elf vom Niederrhein lag 2023 ein Angebot für Trikot-Werbung vor. Laut sportschau.de sollte das Rheinmetall-Logo auf den Fohlen-Leibchen stolze zehn Millionen Euro pro Saison einbringen. Doch der Verein lehnte, wie es heißt, aus „Überzeugung“ ab.
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Ran an die Regeln
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