Autos sollen hier auch weiterhin nicht aufkreuzen. Dafür sprach sich nach einer Bürgerumfrage im Jahr 2014 die Mehrheit aus. Und so bleibt die Mariahilfer Straße in Wien ein verkehrsberuhigter Bereich. 2010 legte das rot-grüne Wien ein Regierungsübereinkommen vor, dass eine abschnittsweise Umgestaltung der Straße zur Fußgängerzone vorsah. Im Oktober 2012 wurde der Beginn der Umgestaltung bekanntgegeben.
Erwähnenswert erscheint dabei, dass die Meinungen der Bürger:innen bei der Umgestaltung berücksichtigt wurden. Denn betroffen waren von den Umbaumaßnahmen etliche Gruppen: Anwohner:innen der angrenzenden Bezirke, Geschäftsleute und Erwerbstätige, die direkt am Prachtboulevard wohnten, Kund:innen, Tourist:innen und andere, die den öffentlichen Raum nutzen.
Die Bevölkerung wurde eingeladen, sich an der gemeinsamen Gestaltung der Mariahilfer Straße zu beteiligen. Von 2011 bis 2014 fand eine mehrstufige Bürger:innenbeteiligung statt. Selbstverständlich ist das bei Stadtplanungsvorhaben nicht: Meistens sitzen Investoren, Verwaltungen und Raumplaner an einem Tisch, um das Projekt nach dem Top-down-Prinzip durchzusetzen. Ohne Rücksicht auf die Folgen der Wohn- und Lebensqualität oder mögliche Verdrängungsprozesse.
Der typischen unternehmerischen Stadt mangelt es folglich an demokratischer Teilhabe. Doch gibt es eine Stadt von unten? Wien führte zumindest einen Praxistest der Partizipation durch. Denn die Ideen und Anregungen der Bevölkerung sollten in die Umgestaltungsplanungen integriert und als Grundlage für weitere Beauftragungen dienen.
Um diese Ansprüche und Erwartungen zu ermitteln, wurde im Mai 2013 ein Proberaum eingerichtet. An einem Wochenende gab es ein Programm mit Kinderschminken oder Luftballons, gemeinsames Frühstücken oder Picknicken auf der Mariahilfer Straße. Damit sollte ein niederschwelliger Zugang geschaffen werden, um die Bedürfnisse der Bürger:innen zu ermitteln. Kernstück des Proberaums bildete eine Gestaltungswerkstatt. Dort konnten Bürger:innen ihre Ideen und Anregungen auf einen großen Plan eintragen.
Gleichzeitig waren Fachleute und Vertreter:innen aus Verwaltung und Politik vor Ort, um für Gespräche mit den Anwohner:innen zur Verfügung zu stehen. Die Mariahilfer Straße steht damit für ein sanftes Umdenken in der Stadtplanung. Denn Wien diskutierte mit den Bürger:innen, statt angesichts von Widerstand Polizeiknüppel und Wasserwerfer sprechen zu lassen, wie es zuletzt in Deutschland bei einem Prestigeprojekt wie Stuttgart 21 gepflegt wurde.
Schätzungsweise 400 bis 500 Menschen nahmen an der Gestaltungswerkstatt teil. Sie schauten skeptisch auf die Luftbilder, welche die Verantwortlichen vorlegten, um einen Eindruck vom Vorhaben zu vermitteln. Die Bürger:innen gaben ihre Einschätzung dazu oder notierten sogar Ideen. Insgesamt beteiligten sich 4.000 Besucher:innen am Proberaum-Wochenende. Hinzu kamen Online-Umfragen oder elektronische Briefkästen. So entstand eine Diskussion über den Umbau.
Diese Inputs wurden anschließenden in der Neugestaltung umgesetzt. Im Vordergrund standen dabei die Funktionalität und die Verkehrsorganisation. Kraftfahrzeuge wurden mit wenigen Ausnahmen aus dem Straßenbild verbannt. Es folgte die Umgestaltung zu einer Fußgänger- und Begegnungszone mit etlichen Grünflächen und Sitzgelegenheiten; das wünschte sich eine Mehrheit der Bürger:innen. Die Mariahilfer Straße betreten sie nun tatsächlich als ihre Straße.
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Aktiv im Thema
idpf.eu | Das Institut für Demokratie- und Partizipationsforschung an der Bergischen Universität Wuppertal forscht über demokratisches Verhalten.
netzwerk-buergerbeteiligung.de | Das Netz zielt auf die breite Einbindung von Bürger:innen in die politischen Prozesse.
wuppertalbewegung.de | Der Verein „von Bürgern für Bürger“ hat sich pragmatische politische Ziele auf die Fahne geschrieben, z.B. die Nutzbarmachung der Nordbahntrasse.
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