Ein Theaterstück ohne Text, nur mit Papier. Kann das gut gehen? Im ersten Moment könnte man glauben, dass hier ein paar eher ältere Künstler meinten, eine originelle Idee zu haben, ohne dass ihre Begeisterung vom Publikum geteilt werden müsste. Damit hat man Barbara Fuchs und ihre beiden Akteure, die Tänzerin Sonia Mota und den Komponisten Jörg Ritzenhoff, gefährlich unterschätzt. Ihre Tanzproduktion, die zunächst mit zwei Blättern Papier beginnt, wächst sich schon bald zu einer Performance aus, die die Bühnen im Düsseldorfer Tanzhaus und den Kölner Ehrenfeldstudios in Schlachtfelder verwandelten. „Ich wollte unbedingt zeigen, wie zwei ältere Menschen einem jungen bis ganz jungen Publikum zeigen, welche Freude man beim Tanz haben kann“, erklärt Barbara Fuchs den Grundgedanken zu ihrer Choreografie „Papierstück“.
Unendlich viele Geräusche und Klänge lassen sich mit Papier erzeugen, es wird denn auch gerissen, geraschelt und geklopft. Jörg Ritzenhoff, der sonst eher in der elektronischen Musik Zuhause ist, erfindet neue, überraschende Melodien, die sich mit Pappen und Rollen herstellen lassen. Es ist nicht alleine Percussion, sondern ein eigener Sound, mit dem er seine Aktionen unterlegt. Barbara Fuchs verrät, dass gerade Ritzenhoff im Vorfeld allerhand Ängste plagten. Würde er bestehen können vor einem Strom junger Besucher? Er selbst hatte da seine Bedenken. Er fand eine Lösung. Ritzenhoff lächelt das Publikum in Grund und Boden, jemanden mit so guter Laune hat das Theater lange nicht gesehen. Man spürt in jeder Sekunde seine Entschlossenheit, eine möglichst große Portion Spaß einzufahren. Auch die bühnenerfahrene Sonia Mota weiß, dass Präzision und bedingungslose Authentizität den Schlüssel zum Erfolg bescheren. Das Publikum staunt, wenn die beiden in großen Papiersäcken tanzen und sich mit jeder Bewegung eine neue akustische Geräuschkombination einstellt.
In kaum einer Inszenierung dieses Jahres wurde denn auch so viel gelacht, wie im wortlosen „Papierstück“. Die Poesie des Materials liegt in seiner Analogie zur Haut, die ebenfalls Falten wirft und auf der sich auch Zeit und Erinnerung einschreiben. Das Erfolgsrezept der Produktionen, die Barbara Fuchs für ein junges Publikum entwirft, besteht in der bedingungslosen Konsequenz, mit der sie sich auf ihr Material einlässt. Ob es sich um Lehm („Kopffüßler“), um Gummi („Pffhh...“), das Essen („MAMPF!“) oder Plastikeimer („Alles im Eimer“) handelt, mit jedem Sujet entwickelt sie eigene Bewegungs- und Klangmuster. So ist es auch hier, das Papier leistet Widerstände und beengt, aber es besitzt auch Elastizität und lässt sich zerreißen. Eine Dialektik, die der Inszenierung Dynamik verleiht und mit den Effekten auch die Komik unablässig zu steigern versteht. Es ist ein kleines Meisterwerk für Kinder und Erwachsene, das hier im kalkulierten Getöse des Papierdschungels entstand.
„Papierstück“ | Leitung: Barbara Fuchs | 22., 23.11. 16 Uhr, 13., 14.12. 10 Uhr | Ehrenfeldstudios, Köln | karten@ehrenfeldstudios.de
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