Wenn mitten im Nirgendwo der Motor plötzlich streikt, hilft auch der faulste Zauber nichts mehr. Das muss selbst der alte Merlin erkennen, den Regisseur Roland Schwab auf der Bühne des Gelsenkirchener Musiktheaters zwar nicht in die Wüste, wohl aber in die Ödnis der Highlands schickt. Ausgerechnet an diesem „mystischen Morgen“ ist sein Straßenkreuzer auf dieser namenlosen Straße zwischen seiner mystischen Vergangenheit und unserer profanen automobilen Gegenwart verreckt. Auch einem großen Magier bleibt da nur noch der Griff zum Warndreieck.
Vermutlich ist er beim Zaubern ein wenig aus der Übung geraten. Immerhin hat der Opern-„Merlin“, wie ihn Isaac Albéniz im Auftrag des adeligen britischen Librettisten Francis Burdett Money Coutts zum Singen brachte, gut 100 Jahre auf seinen Einsatz warten müssen – zumindest auf einer professionellen Opernbühne. Denn auch die von einem spanischen Fußballclub organisierte Amateur-Uraufführung im Jahr 1950 gehört zu der lange Reihe von Kuriositäten, die die Geschichte des lange vergessenen Dreiakters bestimmt. Bereits seine Entstehung stand unter keinem guten Stern: Der vermögende Librettist war Bankier, wollte aber gern ein Dichter sein. Er schwärmte für die Mythen des Mittelalters und träumte von einer Artus-Trilogie als Pendant zum Wagnerschen Ring. Albéniz, bereits schwer nierenkrank und auf ein Zubrot angewiesen, übernimmt den Auftrag, schreibt eine Musik, die in jedem Wagnerforscher den Sportsgeist weckt, ansonsten aber kaum die Opernwelt bewegt. Dass es „Merlin“ Ende der 1990er doch noch zu professionellen konzertanten und 2003 sogar noch zu einer szenischen Uraufführung in Spanien bringt, dürfte vor allem dem Mangel an originär spanischen Opern geschuldet sein. Umso mehr muss man sich fragen, was Gelsenkirchens Intendant Michael Schulz wohl geritten hat, dieses zu Recht vergessene Werk auf seine Bühne zu holen.
Regisseur und Aufführende scheinen sich dieselbe Frage zu stellen – so zumindest wirkt die Gelsenkirchener Inszenierung: wie eine Parodie. Da wird Nivian, die Herrin vom See, aus dem Artus eigentlich das Schwert Excalibur erhält, recht zügig mit Fesseln und Knebel im Kofferraum des gestrandeten Straßenkreuzers entsorgt. Und Artus posiert nach gewonnener Schlacht mit abgeschlagenem Gummikopf, den er in einer Arie auch noch ordentlich herzt, bevor er ihn mit einem kräftigen Fußtritt hinter die Bühne befördert.
Letztlich bleibt es schwer zu entschlüsseln, ob das Ensemble versucht, mehr aus dem Stück zu machen, als es eigentlich hergibt, oder ob es sich einfach einen Spaß aus dem schwülstigen Mysterienstoff macht. Heldenbariton Bjørn Waag jedenfalls legt sich als Merlin ordentlich ins Zeug, auch wenn er andere Partien schon besser gesungen hat. Wirklich starke Vorstellungen bieten indes Petra Schmidt als Nivian und Majken Bjerno als böse Fee Morgan. Im Orchestergraben leisten Heiko Förster und die Neue Philharmonie Westfalen unterdessen solide Arbeit, offenbaren aber wenig Esprit.
„Merlin“ I 11./22.12. I Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen I 0209 409 72 00
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