Wuppertal, 19.4.: „Niemand hätte mitgemacht.“ Diese ernüchternde Antwort gibt Georg Elser den ungläubigen Offizieren, als sie ihm nicht zutrauen wollen, dass er im Alleingang die Bombe gebaut haben will, die beinahe Hitler getötet hätte. Es ist einer von vielen Sätzen, die einem von Oliver Hirschbiegels neuem Film „Elser“ in Erinnerung bleiben.
Über den Widerstand der Geschwister Scholl gegen das Naziregime und das versuchte Attentat des Grafen von Stauffenberg auf Hitler ist heute das Meiste bekannt. Doch der Name Georg Elser ist nur den Wenigsten ein Begriff. Dabei war er 1939 der Erste, der versuchte, den Wahnsinn aufzuhalten. Am Ende fehlten ihm nur dreizehn Minuten, um Weltgeschichte zu schreiben. Hirschbiegels Film zeigt auf leise und doch packende Art, wie ein einzelner Mensch erkennen konnte, was geschehen wird, wenn niemand eingreift, und wie er beschloss, es zu versuchen.
Auf seiner Tour durch Deutschland kam der Hauptdarsteller Christian Friedel in das Wuppertaler Rex, um über seine Erfahrungen während und nach dem Dreh zu berichten. Durch den engen Zeitplan der Reise musste das Gespräch bereits vor der Filmvorführung stattfinden, wodurch es zwar weniger Zeit für Fragen, dafür aber für ausführliche Erzählungen Friedels gab. Direkt zu Beginn gestand er, selber noch nichts über Georg Elser gehört gehabt zu haben, bevor er ihn verkörperte. Jedoch sei er sofort von der Psychologie dieses Menschen fasziniert gewesen, der, um die Freiheit seiner Mitmenschen zu verteidigen, sein eigenes Leben aufs Spiel setzte. Dabei wurde Elsers Bedeutung bis jetzt in der Geschichtsschreibung weitestgehend ignoriert. Noch bis weit in die 1980er Jahre zeigte die geschickte Propaganda der Nazis Wirkung. Entweder wurde behauptet, Elser sei ein Kollaborateur des britischen Geheimdienstes gewesen, oder gar ein Anhänger Hitlers, der das versuchte Attentat den Briten anhängen wollte.
Überzeugt habe Friedel das überaus gut recherchierte Drehbuch, welches in einem Zeitraum von sechs Jahren entstanden ist und nach Aussage der Autoren zu achtzig Prozent der Wahrheit entsprechen soll. Im Gegensatz zu „Georg Elser – Einer aus Deutschland“ von 1989, in dem der Fokus auf dem Bau der Bombe, mit der Elser Hitler in die Luft sprengen wollte, lag, zeigt der aktuelle Film auch Elsers Leben im Dorf Königsbronn, die Erlebnisse, die zu seinem Entschluss führten, und die Verhöre nach seiner Verhaftung. Bewusst wird auch die Folter gezeigt, die durch neu entdeckte Protokolle ans Licht kam.
Gerade diese Szenen hätten bei einigen Aufführungen mit Schulklassen zu lebhaften Diskussionen über das Freigabealter geführt, so Friedel. Tatsächlich wäre die Reaktion der meisten SchülerInnen auf das Gezeigte, anders als die mancher LehrerInnen, positiv gewesen und einige wären so angeregt worden, über momentan stattfindende Konflikte und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nachzudenken.
Dies betonte Christian Friedel auch im Rex erneut. Man müsse sich viel mehr mit politischen Themen auseinandersetzen und nicht alles für bare Münze nehmen, sondern selbständig recherchieren, um sich eine Meinung zu bilden. Für ihn zeige der Film, wie leicht Menschen dazu gebracht werden können, das zu glauben, was man ihnen sagt, und wie schnell aus Unbeteiligten Schuldige werden können.
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