Zum 15. Mal öffnet die lit.Cologne die Türen der Veranstaltungssäle, um die erwarteten 80.000 Besucher zu empfangen, die sich während der Festivaltage etwas vorlesen lassen möchten. Insgesamt zog es eine Million Menschen seit der Premiere 2001 zu den Literatur-Events. Das Publikumsinteresse in der Stadt und im Land scheint auch nach zweieinhalb Jahrzehnten ungebremst vorhanden zu sein, wie der Vorverkauf einmal mehr beweist. Umso erstaunlicher, dass man erst im 15. Anlauf einen „Köln-Abend“ veranstaltet. Trotzdem eine gute Idee, denn der Abend in der Oper am Dom soll von den Gästen, zu denen etwa Gerd Köster, Mariele Millowitsch oder Joachim Król zählen, in Erfahrung bringen, warum diese Stadt so stark polarisiert. Dem trauten Heimatgesäusel soll der Kampf angesagt werden, und die verschmähte Liebe manches Zugereisten, die sich gerne in zornigen Schmähungen entlädt, will der Abend erklären. Mitunter schwingt sich der rheinische Mensch ja zu wahrer Größe auf, deshalb wird der Abend auch einen Blick auf Rolf Dieter Brinkmann werfen, der kein Halten kannte, wenn er seinem Hass gegenüber den Kölnern Ausdruck verleihen konnte. Ausgerechnet nach ihm hat die Stadt ihre wichtigste Literaturförderung benannt.
Psychologie der derben Sorte ist ebenfalls gefragt, wenn T. Coraghessan Boyle seinen Roman „Hart auf hart“ vorstellt, der uns begreiflich macht, warum die Amerikaner vermeinen, ein gutes Leben nur mit der Waffe in der Hand führen zu können. Jemand, der aus eigener Erfahrung weiß, welche Katastrophen Gewalt im Leben der Opfer und ihrer Familien anzurichten vermag, kommt mit James Ellroy nach Köln. Er las auch schon vor Jahrzehnten in der Domstadt, als er international nur als Talent des Krimi-Genres gehandelt wurde. In den USA genießt die lit.Cologne einen guten Ruf, anders ist nicht zu erklären, dass sogar Renata Adler, eine der großen alten Damen der Amerikanischen Literatur, die Reise nach Deutschland nicht scheut. Nach „Rennboot“ stellt sie nun ihr legendäres Buch „Pechrabenschwarz“ vor. Lily Brett kommt ebenfalls aus New York an den Rhein, um aus ihrer Zeit als Hippie-Reporterin des Rolling Stone zu erzählen. Eine Zeit, in der auch der neue Roman „Miss Blackpool“ von Nick Hornby spielt, in dem eine Blondine ihren Titel als Schönheitskönigin ausschlägt, um dann in London richtig Karriere zu machen. Hornby hat noch jedes Buch auf der lit.Cologne vorgestellt und in Deutschland möglicherweise mehr Leser als im heimatlichen England.
Besonders prominent ist das Thriller-Kontingent in diesem Jahr besetzt mit Tana French, Jussi Adler-Olson, Tony Parsons oder Adrian McKinty. Da will dann auch Bastian Pastewka mitmischen, der Francis Durbridges Serienhelden „Paul Temple“ zum Leben erweckt, indem er auf der Bühne alle Geräusche der Hörspielfassung selbst produziert. Manchmal drohte die lit.Cologne schon Opfer ihres Rufes zu werden, als hartnäckig ausgestreut wurde, nach Neujahr seien allen Karten für den März ausverkauft. Dem ist nicht so, die Stadt brodelt während der Tage zwischen dem 11. und 21. März, da geht immer noch etwas.
lit.Cologne | 11.3.-21.3. | www.litcologne.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Opa, was hast du da angestellt?
Zwei Romane schildern, wie Enkel die Schattenseiten der Familiengeschichte lüften – Textwelten 03/16
Erotik im Dom
Die lit.Cologne weiß mit ihrer 16. Auflage zu überraschen – Textwelten 01/16
Süße Liebe und ekelerregende Gemeinheit
Peggy Parnass kommt zur lit.kid.Cologne – Literatur in NRW 03/15
Neunmal volles Haus
Die lit.Cologne Spezial bietet schlagkräftiges Programm – Textwelten 09/14
Spaß ohne Ende
Anthony McCarten liefert der lit.Cologne Pointen ohne Ende – Literatur in NRW 03/14
Ein ruppiges Meisterwerk
Szczepan Twardoch verteidigt „Morphin“ auf der lit.Cologne – Literatur in NRW 03/14
Girls mit Speed im Blut
Jenni Fagan und Stefanie de Velasco am 19.3. auf der lit.Cologne – Literatur in NRW 03/14
Tod auf dem Rhein
Emmanuèle Bernheim am 18.3. auf der lit.Cologne – Literatur in NRW 03/14
Ausgehungert
Auf der lit.Cologne stellt David Peace seinen großartigen Roman „GB84“ vor – Literatur in NRW 03/14
Ein deutsches Panorama, schmutzig und lustvoll
Clemens Meyer präsentiert seinen Roman „Im Stein“ auf der lit.Cologne – Literatur in NRW 03/14
Auch Frauen können Helden sein
„Die Frauen jenseits des Flusses“ von Kristin Hannah – Literatur 11/24
Comics über Comics
Originelle neue Graphic Novels – ComicKultur 11/24
Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24
Nachricht aus der Zukunft
„Deadline für den Journalismus?“ von Frank Überall – Literatur 10/24
Zurück zum Ursprung
„Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen“ von Eldon Yellowhorn und Kathy Lowinger – Vorlesung 10/24
Eine Puppe auf Weltreise
„Post von Püppi – Eine Begegnung mit Franz Kafka“ von Bernadette Watts – Vorlesung 10/24
Risse in der Lüneburger Heide
„Von Norden rollt ein Donner“ von Markus Thielemann – Literatur 10/24
Krawall und Remmidemmi
Begehren und Aufbegehren im Comic – ComicKultur 10/24
Förderung von Sprechfreude
„Das kleine Häwas“ von Saskia Niechzial, Patricia Pomnitz und Marielle Rusche – Vorlesung 10/24
Frauen gegen Frauen
Maria Pourchets Roman „Alle außer dir“ – Textwelten 10/24
Wie geht Geld?
„Alles Money, oder was? – Von Aktien, Bitcoins und Zinsen“ von Christine Bortenlänger und Franz-Josef Leven – Vorlesung 09/24
Ein Quäntchen Zuversicht
Düstere, bedrohliche Welten mit kleinem Hoffnungsschimmer – ComicKultur 09/24
Zerstörung eines Paradieses
„Wie ein wilder Gott“ von Gianfranco Calligarich – Literatur 09/24
Lektüre für alle Tage
Lydia Davis‘ Geschichtensammlung „Unsere Fremden“ – Textwelten 09/24
Reise durchs Eismeer
„Auf der Suche nach der geheimnisvollen Riesenqualle“ von Chloe Savage – Vorlesung 09/24