Thomas Arslan, 1962 in Braunschweig geboren, besuchte die Grundschule in Ankara, Gymnasium und Filmstudium absolvierte er in Deutschland. Seit den frühen 1990er Jahren dreht er Filme, zuletzt „Aus der Ferne“ und „Ferien“.
engels: Herr Arslan, mit „Im Schatten“ widmen Sie sich erstmals dem Genre. Was hat Sie dazu geführt, einen Krimi zu inszenieren?
Thomas Arslan: Der Kriminalfilm ist schon lange eine besondere Vorliebe von mir. Im Grunde, seitdem ich ins Kino gehe.
Man kann an „Im Schatten“ einige Vorbilder ablesen, allen voran Melvilles „Le Samurai“ – dessen Alain Delon durchaus an Ihren Hauptdarsteller erinnert. Was hat Sie hier und jetzt an der Realisierung eines solchen Films interessiert?
Es gibt in diesem Genre so viele Filme, die mir gefallen, dass ich beim besten Willen nicht genau sagen kann, was davon in den Film eingeflossen ist. Ein Unterschied zu Melville ist, dass die Figur des Trojan viel weniger rituell agiert als ein Jeff Costello in „Le Samurai“. Hinsichtlich der Wahrnehmung seiner Umgebung ist er hellwach und reagiert sehr flexibel auf konkrete Situationen. Was mir am Kriminalfilm am besten gefällt, sind die besonderen Möglichkeiten, die Arbeit von Kriminellen und der Polizei zu zeigen. Eine Arbeit, die stark aufgeladen ist und der ich gerne zusehe – wie bei Fußballern. Und ein Kriminalfilm ist immer auch eine gute Möglichkeit, in zugespitzter Form über die Gegenwart zu erzählen.
Ihr Kriminalfilm wirkt wie die entschleunigte Version eines Gangsterfilms: Szenen wie die „Verfolgungsjagd“ wirken geradezu kontemplativ – nicht zuletzt wegen der Musik ...
Ein großer Teil der Szenen des Films bestehen aus Observierungen. Gangster, die ein Objekt observieren, das sie überfallen wollen. Ein Polizist, der Gangster observiert. Gangster, die andere Gangster observieren. Die Verfolgungen im Film sind daher keine Situationen, wo Verfolger und Verfolgter von ihrer gegenseitigen Anwesenheit wissen, sondern eher ein heimliches Belauern. Das ist eine andere Art von „Action“ als eine offene Jagd.
Die Orte des Geschehens wirken weder glamourös noch betont schäbig, sondern sehr gewöhnlich. Durch die gewählten Orte scheint die von Ihnen gezeichnete Verbrecherwelt in die Normalität einzudringen ...
Ich habe versucht, darauf zu achten, die Stadt Berlin nicht zu sehr zu überhöhen. Der Großteil der Schauplätze des Films sind Transit-Orte. Unpersönliche öffentliche Räume, Hotelzimmer, Apartments. Orte, die das Leben der Hauptfigur, die keinen festen Wohnsitz hat und ständig unterwegs ist, bestimmen. Der Blick der Kamera auf diese Orte ist nüchtern, fast dokumentarisch. Und das Verbrechen ist ein Teil dieser Normalität.
Sie beobachten die Figuren sehr genau. Vor allem der Protagonist wird als ein Arbeiter gezeigt, der versiert sein Handwerk verrichtet. Betrachten Sie diese Professionalität mit einer gewissen Faszination?
Ja, durchaus. Allerdings wollte ich gleichzeitig vermeiden, das Leben der Hauptfigur zu glorifizieren. Professionelle Gangster finde ich auch unter dramatischen Gesichtspunkten interessanter. Wenn sie selber keine offensichtlichen Fehler machen, kommt es umso mehr auf das Umfeld an, in dem sie sich bewegen. Und das ist für eine einzelne Person, auch wenn sie noch so professionell agiert, niemals ganz zu überblicken.
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