Bettina Haasen, Jahrgang ‘69, studierte Afrikanistik und Politische Wissenschaft. Im Folgenden arbeitete sie als Regieassistentin und Produzentin. Nach mehreren mittellangen TV-Dokumentationen ist „Hotel Sahara“ ihr erster Kinofilm.
engels: Frau Haasen, wie sind Sie auf das Thema und diesen speziellen Ort aufmerksam geworden?
Bettina Haasen: Ich habe von 2001 bis 2004 als Entwicklungshelferin in Agadez, Nord Niger, gearbeitet. Eines Tages fand ich einen ghanaischen Reisepass auf der Straße. Ich habe erst später begriffen, dass dahinter jemand stand, der auf dem Weg gen Norden war in der Hoffnung, eines Tages in Europa zu landen. Man reist ohne Papiere, um die Identität selbst bestimmen zu können und mehr Chancen bei einem Asylverfahren zu haben. Drei Jahre später fuhr ich wieder nach Agadez, um die Migration im Transitraum Agadez filmisch anzugehen. Doch die zweite Tuaregrebellion brach aus, ein möglicher Dreh in Agadez rückte in weite Ferne. Ich musste einen neuen Transitort recherchieren und wurde auf Nouadhibou aufmerksam.
Wie gestalteten sich dann die Dreharbeiten vor Ort?
„Hotel Sahara“ war in vielerlei Hinsicht meine schwierigste Filmarbeit. Mir war bewusst, auf wie viel Widerstand ich stoßen würde, wie viele Verhandlungen - nicht nur mit den Behörden, sondern auch mit möglichen Protagonisten - ich führen müsste und dass ich dies fast nur alleine tun könnte, um diese Personen auch emotional für meinen Film zu gewinnen. Nouadhibou ist verbrannte Erde. Viele Berichte über gestrandete Cayucos und die Rolle der Guardia Civil kursierten bereits in den Medien. Jeder wusste sofort Bescheid, als er/sie uns sah. Dann ging es sofort um den Schlagabtausch: Ich gebe dir eine Information - wie viel kriege ich dafür? Dieses Muster zu durchbrechen und Protagonisten zu finden, die bereit waren, sich auf uns einzulassen, war schwierig. Am einfachsten war es fast noch mit den Behörden. Nachdem wir endlich die Drehgenehmigung in den Händen hielten, waren alle, auch der Sicherheitsminister, gezwungen mitzuspielen.
Der Film ist unglaublich schön fotografiert. Das liegt sicherlich auch an tollen Motiven wie dem Schiffsfriedhof. Kann man trotzdem der Gefahr einer Ästhetisierung des Themas entgehen?
Es geht allgemein um Träume, die man sich von seinem eigenen Leben macht, um Selbstbestimmung und Suche nach dem richtigen Leben. Im Vordergrund standen nicht die ‘armen’, bemitleidenswerten Afrikaner und ihr mögliches Scheitern. Von daher stand fest, dass die Bildsprache wie auch die Tonebene eine ganz eigene sein sollte, die eine Distanzierung unmöglich macht. Eine Kamera, die berühren soll. Jeden Abend beim Sichten hatten wir intensive Diskussionen darüber, wie wir auf mögliche stereotype Einstellungen verzichten könnten. Ich werde oft darauf angesprochen, ob diese Bilder nicht ‘zu schön’ seien angesichts des hoffnungslosen Themas. Ich frage mich, ob Bilder ‘zu schön’ sein können und warum es in einem Film wie diesem nicht eine Filmsprache geben sollte, die womöglich unsere Vorstellungen, wie Migranten aussehen, leben und scheitern, revidieren.
Warum haben Sie auf einen Kommentar im Film verzichtet?
„Hotel Sahara“ war von Anfang an als Kinodokumentarfilm konzipiert. Ich finde, ein Film muss für sich sprechen können. Für mich war es die große Herausforderung, eine Atmosphäre zu kreieren und nicht mittels eines Kommentars Zahlen und Statistiken zu bebildern.
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