Wer Carolin Simon einmal auf der Bühne erlebt hat, ist von der Vielfalt ihres Könnens gleich eingenommen. Sie ist nicht nur Tänzerin, sondern auch Darstellerin, Performerin, Komödiantin, Entertainerin und natürlich auch Choreografin – also in vielen Genres zuhause: eine durch und durch schillernde künstlerische Persönlichkeit. Sie bereichert die Bühne, ist dort wirklich „zuhause“ und sorgt dort immer wieder für „Überraschungen und Irritationen“ wie ihr jetzt die Jury des Kölner Darsteller-Preises ins künstlerische Stammbuch schrieb. Für ihre Rolle in „subtexten“ hat sie den Darstellerpreis 2014 erhalten. Spätestens seit ihrem Solo „Happy Birthday“, einem Highlight ihrer Karriere, kennt man ihr darstellerisches Talent, umwerfend tragisch und komisch zugleich zu sein. Gratulation!
Gratulation gebührt besonders dem Ensemble von bodytalk, das für sein geschichtskritisches Tanztheater „Jewrope“ mit dem Kölner Tanztheaterpreis 2014 ausgezeichnet wurde. Wie spricht man nach Auschwitz über das Unsagbare, fragt die Preisjury in ihrer Begründung. Yoshiko Waki und Rolf Baumgart, die das Köln-Bonner-Theaterensemble leiten, haben sich nie vor schwierigen Fragen gedrückt und für „Jewrope“, ihrem Tanztheater gegen das Vergessen, im geschichtsträchtigen Posen mit dem Polski Teatr Tańca nach Antworten gesucht. „Das alleine traut sich sonst niemand zu“, hebt der Journalist und Juror Thomas Linden hervor, der damit wohl auch die oft mangelnde Tiefe der gängigen Tanzproduktionen, gleich welcher Thematik und welchen Inhalts, anspricht. „Politisches Theater von großer Reife“ mit stets überraschenden Bildern von wilder Schönheit und Dichte, die nie Selbstzweck blieben, attestierte die Jury mit ihrer weitblickenden Entscheidung der Gruppe bodytalk. „Das ist kraftvolle, poetische, kluge, provokante Kunst – ein Erlebnis“, so Linden in seiner Laudatio. Damit weist er über den Moment hinaus und fragt indirekt nach Aufgabe und Funktion der Kunst.
Gerade weil sich von bodytalk und ihrer explizit politischen Kunst mancher provoziert fühlt, wäre es einmal an der Zeit, auch in Köln den Diskurs zu eröffnen, wie provokant Kunst denn sein darf. Von der Kölner Kulturverwaltung und dem bisherigen Tanzbeirat fühlt sich die Gruppe nach eigenem Bekunden geschnitten und ausgebremst. Ihr Köln-kritischer Förderantrag für ein Tanztheater mit dem Arbeitstitel „Mer losse Kon-dom in Kölle“ wurde mehrfach, so bodytalk, wegen angeblich formaler Fehler abgelehnt. Eine vorgeschobene Begründung, so vermutet die Gruppe auf Befragen. Vielleicht sollte in Köln mit kritisch-provokanter Kunst gelassener umgegangen werden. Lothar Späth, einst konservativer Ministerpräsident im Ländle, hat dazu eine ebenso eindeutige wie unmissverständliche Position: „In der Kunst muss man mit offenem Ergebnis fördern, auch wenn man von der Kunst, die man fördert, mit Provokation und Kritik rechnen muss. Das muss man aushalten und sich klar machen, dass Kunst genau diesen Raum braucht und für sich beansprucht.“
www.bodytalkonline.de | www.resistdance.de
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