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Das bin ich

01. September 2008

Niko von Glasow über "Nobody's perfect" - Gespräch zum Film 09/08

Niko von Glasow, Jahrgang 1960, war Assistent bei Fassbinder, bevor er in New York und Lódz Film studierte. Seit 1990 macht er Kinofilme, zuletzt „Edelweißpiraten“. Sein aktueller Film „NoBody’s Perfect“ wird von einer Buchpublikation und einer Ausstellung begleitet.

engels: Welche Funktion hat der Humor im Film, der mal fröhlich, mal düster ist?
Niko von Glasow: Das Lachen und der Humor sind eine Möglichkeit, die Situation zu überspielen oder zu lockern. Und somit sind viele Behinderte Profis im Witze Machen. Sagen wir mal, ich komme in eine Metzgerei, und alle starren mich an und sind völlig verzweifelt. Dann mache ich einen schlechten Witz, und es lacht die ganze Metzgerei. Humor ist eine wunderbare Waffe für die Seele. Umso dunkler der Hintergrund, desto leichter kann man mit Humor eine leuchtende Farbe draufsetzen. Eigentlich ist Humor auch die klügste Art, mit dem Leben umzugehen, weil die Natur an sich ja nicht pessimistisch ist - es geht immer weiter.

Sie würden nie sagen, Humor sei eskapistisch?
Doch, wenn er nicht aus dem Herzen kommt, sondern ausgedacht ist und nicht gelebt wird. Aber wir leben das ja in dem Film.

Ihr Sohn kommt immer wieder im Film vor. Wie könnte man seine Rolle beschreiben?
Er ist die treibende Kraft. Er ist der Grund, warum ich diesen Film gemacht habe: Weil ich mit ihm gerne ohne Scham in Badehose an den Strand gehen und schwimmen möchte. Es gibt aber noch einen anderen Hintergrund für den Film: Vor vielen Jahren habe ich eine Therapie gemacht und erzählt, ich möchte nakkte Behinderte zeigen. Der Therapeut sagte: „Gute Idee, aber du musst dich selber auch fotografieren“. Dann habe ich die Idee voller Angst und Schrecken fallen gelassen. Das Anschauen meiner eigenen Fehlerhaftigkeit ist meine größte Angst. Jeder Alkoholiker braucht Jahre, um zu sagen: „Ich bin Alkoholiker“. So ist es für mich auch unglaublich schwer gewesen zu sagen, ich bin behindert. Ich war immer Regisseur und Deutscher und Halbjude, aber behindert war ich nicht. Dieses in den Spiegel Gucken und sagen: „Das bin ich“, ist die große Angst. Wenn man die einmal überwindet, das ist ein großer Sieg und eine große Freude.

Es gibt im Film diverse Versuche, mit Grünenthal, der Firma, die Contergan hergestellt hat, Kontakt aufzunehmen. Gibt es weiterhin Bemühungen, Schadensersatzleistungen durchzusetzen?
Die Firma gehört der Familie Wirtz, eine der reichsten Familien Deutschlands. Der Familie gehört auch 4711, Tandil, Tabac, Betty Barclay, s.Oliver uvm. Ich persönlich darf nicht zum Boykott aufrufen, aber ich darf sagen, dass ich die Produkte so lange nicht benutze, bis uns Grünenthal entschädigt hat, und zwar in einer Höhe, dass die schwergeschädigten Menschen genug Geld haben, ein menschenwürdiges Leben zu leben. Sie müssen wissen, dass inzwischen die permanenten Schmerzen bei vielen von uns so stark werden, dass sie auf Morphium leben. Wir wollen im wahrsten Sinne des Wortes Schmerzensgeld. Noch ein Wort zu diesen 50 Millionen, die Grünenthal uns jetzt geben will: Erstens können sie die Hälfte davon steuerlich absetzen, die andere Hälfte wird dann doch vom Steuerzahler bezahlt. Zweitens: Wenn sie 50 Millionen durch 2800 überlebende deutsche Conterganopfer teilen, verteilt auf den Rest unseres Lebens, kommen 2,50 Euro pro Tag dabei raus. Dafür kann ich mir ein Eis kaufen.

INTERVIEW: CHRISTIAN MEYER

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