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Hat Schmetterlinge im Bauch: Louis Hofmann in „Die Mitte der Welt“.
Foto: Presse

„Das Träumerische hat mich sehr gereizt“

27. Oktober 2016

Louis Hofmann über „Die Mitte der Welt“, seine schwule Figur und Online-Lehrer – Roter Teppich 11/16

Mit seinen 19 Lebensjahren kann Louis Hofmann schon auf genauso viele Film- und Fernsehrollen zurückblicken. Mit seiner Titelrolle in der Neuverfilmung von „Tom Sawyer“ und deren Fortsetzung „Die Abenteuer des Huck Finn“ wurde er vor fünf Jahren zum Kinderstar. Mit seiner bemerkenswerten Rollenauswahl hat er sich seit 2015 mit Filmen wie „Freistatt“, „Das Zeugenhaus“ und „Unter dem Sand – Das Versprechen der Freiheit“ als hoffnungsvoller Nachwuchsstar etabliert. In der Andreas-Steinhöfel-Verfilmung „Die Mitte der Welt“, die am 10. November in den Kinos anläuft, ist er in der Hauptrolle des schwulen Teenagers Phil zu sehen.

engels: Herr Hofmann, wie sind Sie an die Hauptrolle in dieser von vielen sehnsüchtig erwarteten Bestseller-Verfilmung gekommen?

Louis Hofmann: Der Produzent Boris Schönfelder und ich waren im Kontakt. Einige Tage, nachdem ich den Bayerischen Filmpreis erhalten hatte, hat er mich angerufen und mir ein Projekt vorgeschlagen, von dem er glaubte, dass es mich interessieren könnte. Das ist dann nicht zustande gekommen, aber ich hatte über den Flurfunk erfahren, dass Boris auch „Die Mitte der Welt“ in Planung hatte. Nachdem ich die Synopsis gelesen hatte, fand ich das auch enorm spannend und habe mich bei ihm erkundigt, ob dazu ein Casting stattfinden würde. Das Nachdenkliche, Introvertierte und Träumerische der Geschichte hat mich sehr gereizt, und die flirrende Stimmung des Buches und der Rolle Phil. Nachdem ich dann das Buch gelesen hatte, habe ich mich mit dem Regisseur Jakob M. Erwa getroffen. Der hat mir dann mitgeteilt, dass wir auf jeden Fall noch ein Casting machen werden.

Kannten Sie den Roman zu dem Zeitpunkt auch schon?

Nein, zum Casting hatte ich lediglich das Drehbuch gelesen, den Roman dann erst als Vorbereitung für die Rolle. Zu dem Zeitpunkt steckte ich nämlich noch mitten in meinen Abiturprüfungen, deswegen konnte ich den Roman damals noch nicht lesen. Später habe ich ihn dann aber intensiv durchgearbeitet, habe mir jede Kleinigkeit zu Phil herausgeschrieben oder markiert, jeden seiner Ticks und seine Beziehungen zu allen anderen Rollen sehr genau unter die Lupe genommen. Dadurch habe ich mir von meiner Rolle ein ganz gutes Bild geschaffen.

Was war denn die größte Herausforderung für Sie an dieser Rolle?

Sicherlich der schmale Grat, wie ich darstellen kann, dass der Junge schwul ist. Muss man das überhaupt zeigen oder stellt man nicht einfach einen ganz normalen Jungen dar? Diese Diskussion kam schon beim ersten Treffen zwischen mir und dem Regisseur auf. Das war eine Gratwanderung zwischen einem Gar-nicht-Zeigen und einem Überzeichnen, das schon ins Lächerliche oder in den Comedybereich geht. Aber wir wollten die Figur ja vollkommen ernst nehmen, deswegen war das ein weiter Weg, bis wir die richtige Herangehensweise gefunden hatten, mit der sich dann auch die Fans des Romans identifizieren können.

War es für Sie in Ihrer aktuellen Phase des Übergangs vom Kinderdarsteller zum erwachsenen Schauspieler eine besonders mutige Entscheidung, diese Rolle eines jungen Schwulen zu übernehmen?

Mein erster Gedanke war tatsächlich, dass das spannend ist, weil es eine Herausforderung für mich darstellt. Es war etwas völlig Neues für mich, dass ich mir auch schauspielerisch sehr spannend vorstellte. Dann kam irgendwann doch die Angst dazu, das kann ich gar nicht abstreiten, denn ich hatte großen Respekt vor der Rolle. Besonders vor den Sexszenen, weil ich ja nicht wusste, was genau da auf mich zukommt. Vor den Dreharbeiten hatten wir allerdings ein Probewochenende zusammen, mit Jannik Schümann, der im Film meinen Liebhaber Nicholas spielt. Da probten wir schon Intimitäten und haben versucht, eine Vertrautheit miteinander zu entwickeln, damit diese Angst abgebaut werden konnte. Ich wollte schließlich auch dem gerecht werden, was all die Leser des Romans an der Geschichte so fasziniert hat. Viele der Leser haben Kontakt mit mir aufgenommen und mir geschrieben, dass ihnen der Roman damals Mut gemacht hätte, weil er die erste literarische schwule Figur in diesem jungen Alter zu bieten hatte, die richtig ernst genommen wurde. Mein Regisseur Jakob hat mich aber sehr feinfühlig an die Sache herangeführt, dass diese unterschwellige Angst vor der Rolle immer mehr verschwunden ist.

War das nun nicht sogar die erste Ihrer Rollen überhaupt, in der Sie Intimitäten vor der Kamera zu spielen hatten?

Nein, auch in „Freistatt“ gab es schon Intimitäten mit der Figur der Angelika und dann auch mit der Mutter, aber komplett nackten Körperkontakt wie in „Die Mitte der Welt“ hatte ich zuvor noch nie vor der Kamera.

Welche Szene war für Sie am schwierigsten zu drehen, tatsächlich dann eine der Sexszenen mit Jannik Schümann?

Die Sexszenen waren auf jeden Fall die, vor denen Jannik und ich die meiste Angst oder zumindest Respekt hatten. Jedoch würde ich sagen, dass mir die Szenen am schwersten gefallen sind, in denen Phil aufgedreht oder albern ist. Da brauchte ich immer ein bisschen, bis es dann schlussendlich großen Spaß gemacht hat.

Andreas Steinhöfel hat sich während der Dreharbeiten sehr zurückgehalten. Gibt es schon eine Reaktion von ihm zum fertigen Film oder zu Ihrer Besetzung als Phil?

Dass Andreas Steinhöfel sich über die Drehbucharbeit und den Dreh hinweg so zurückgehalten hat, hat Jakob sehr genossen. An den Besetzungen war Steinhöfel trotzdem interessiert und durch die Bank weg zufrieden. Das hat Mut gemacht und Sicherheit gegeben. Den Rohschnitt des Films hat er dann auch gesehen. Er hat ihm sehr gut gefallen. Das ist natürlich das schönste Kompliment für uns.

Sie haben auch während Ihrer Schulzeit schon immer sehr viel gedreht, bekamen Sie in der Zeit dann Privatunterricht oder wie wurde das gelöst?

Als ich mit 13 Jahren „Tom Sawyer“ gedreht habe, hatten wir einen Lehrer am Set. Aber irgendwann wurde das dann vernachlässigt. Denn wenn man nicht mehr schulpflichtig ist, wird es von den Produktionsfirmen auch nicht mehr erwartet, dass sie einen Lehrer stellen. Deswegen musste ich für mich selbst sehr viel nachholen. Als ich die ZDF-Produktion „Das Zeugenhaus“ gedreht habe, hatte ich einen Online-Lehrer, der mir sehr geholfen hat. Trotzdem musste ich auch sehr viel für mich allein tun, um mithalten zu können. Aber es hat alles sehr gut geklappt, und ich habe mein Abitur bestanden. Jetzt kann ich mich auf die Schauspielerei konzentrieren. Ich hätte auch früher schon gerne mehr gemacht, was aber einfach nicht ging, die meisten Dreharbeiten fanden in den Ferien statt. Wenn ich jetzt nicht drehe, dann habe ich wirklich frei, und muss nicht noch Lernstoff für die Schule nacharbeiten! Dann kann ich wieder Louis sein und leben, was wichtig ist, um für zukünftige Rollen aus meinem echten Leben schöpfen zu können. Ich finde es auch sehr schön, dass ich nun direkt nach der Schule beschäftigt bin.

Könnten Sie sich jetzt nach der Schule vorstellen, mit der Schauspielschule weiterzumachen oder haben Sie durch Learning-by-Doing schon genug für den Schauspielberuf für sich gelernt?

Ich glaube schon, dass ich mit meinen bisherigen Rollen ganz gut in den Schauspielberuf hineingerutscht bin. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass vielleicht ein Fundament im Sinne einer Ausbildung nicht falsch wäre, dass ich dadurch mehr Sicherheit erlangen könnte. Bislang kommt alles, was ich vor der Kamera mache, aus mir selbst heraus. Vielleicht könnte ich durch eine professionelle Ausbildung darüber hinaus noch aus etwas Anderem für meine Rollen schöpfen. Vielleicht etwas mehr das Handwerkliche lernen, wobei ich dann die Angst habe, dass das Natürliche dabei verfliegen könnte. Es ist schwierig, und ich hadere noch ein bisschen mit mir selbst, aber um ehrlich zu sein, könnte mich auch irgendein anderes Studium noch reizen, um mir meinen Horizont zu erweitern.

In welche Richtung könnte ein solches Studium gehen?

Mich interessiert Psychologie sehr, weil ich das auch schon in der Schule hatte. Aber mein Abiturdurchschnitt reicht nicht, um in Berlin zu studieren (lacht), weil dort der Numerus clausus für Psychologie zu hoch ist. Die Schauspielerei wird ja oft als Luftblase dargestellt, vielleicht ist es deswegen wichtig, auch ein bisschen mehr vom Ernst des Lebens mitzubekommen, aber da muss ich erstmal schauen, wie sich das entwickelt. Zunächst bin ich einmal dankbar über alle tollen neuen schauspielerischen Herausforderungen, die auf mich zukommen.

Interview: Frank Brenner

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