Michaël R. Roskam, Jahrgang 1972, studierte in Amsterdam Drehbuch. Nach mehreren international ausgezeichneten Kurzfilmen ist „Bullhead” sein Langfilmdebüt.
engels: Herr Roskam, Sie zeichnen ein düsteres Bild ihres Heimatlandes Belgien. Sind die Umtriebe der Hormonmafia wirklich so hässlich, wie Sie sie beschreiben?
Michaël R. Roskam: Das war in der Vergangenheit sicher so. Nachdem in den 90ern ein Veterinärinspektor getötet wurde, standen diese Leute sehr im Blick der Behörden und der Öffentlichkeit. Die meisten dieser Typen waren gegen den Mord. Nicht, weil sie nicht töten würden, sondern weil es dumm war, denn nun standen sie im Rampenlicht. Daraus haben sie gelernt und haben sich danach sehr zurückgehalten. Heute gibt es immer noch einen harten Kern von Viehzüchtern, die mit diesem illegalen Handel zu tun haben.
„Bullhead” ist nicht nur sprichwörtlich ein düsterer Film: Außer in der Eröffnungsszene gibt es keinen Sonnenschein, und die Bilder scheinen immer etwas zu dunkel zu sein. Das ist sicher kein Unfall …?
Wir waren sehr von Malern wie Rembrandt oder Courbet beeinflusst. Wir wollten diesen sehr dunklen, grauen Look, aber auch diesen Chiaroscuro-Effekt (Helldunkel-Malerei, Anm. d. Red.), aber von oben. Da ist immer ein leichter Lichtschein auf den Köpfen, der wiederum einen Schatten auf die Augen wirft und diese düstere Atmosphäre verbreitet.
Der Film ist sehr körperlich und die Hauptfigur Jacky wirklich testosterongesteuert. Was war Ihre Idee für die Visualisierung dieser Körperlichkeit?
Wir wollten einen Mann, der seinen Körper als Bunker benutzt, in dem sich der kleine Junge in ihm immer noch verstecken kann. Wir wollten ihn aber auch als jemanden zeigen, der die Last seiner Vergangenheit auf sehr körperliche Art auf seinen Schultern trägt. Er musste so eine Art Mann werden, bei der die physische Stärke und die brutale Erscheinungsform der Kern, die Essenz seines Wesens ist. Aber natürlich ist seine Erscheinung sehr beeinflusst und gestört von seiner Vergangenheit.
Es gibt eine zweite Hauptfigur – Jackys Jugendfreund Diederik. Wie passen er und seine Homosexualität in das Thema des Films?
Viele Fragen werden sehr interessant, wenn du deinen Antagonisten schwul machst. Es gibt mir z. B. die Möglichkeit, mit der Vorstellung von Freundschaft zu spielen, die – wer weiß – vielleicht hätte Liebe sein können. Es gibt mir auch die Möglichkeit, mit der Idee eines “Homme Fatale” zu spielen und zu fragen: Was ist ein Mann, was ist Männlichkeit?
Nach einem solchen Debüt sind die Erwartungen hoch. Haben Sie schon Pläne für einen neuen Spielfilm?
Ja, ich schreibe gerade etwas und freue mich schon auf den Dreh. Viele Menschen fragen mich, ob ich jetzt irgendeinen Druck spüre. Das ist tatsächlich so, aber ich mag das. Das hält mich wach. Ich will, dass jeder Film wie der erste ist. Er muss großartig werden.
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