„Ich mache mir Sorgen, wie viele Menschen hier wie Schafe rumlaufen, die nicht mehr verstehen, was abgeht“, formuliert eine Frau hinsichtlich der Corona-Schutzmaßnahmen und fährt fort: „Viele Leute glauben, Bill Gates steckt dahinter. Ich persönlich glaube das auch.“ Zu sehen ist diese Szene, die bei einer Demonstration auf dem Laurentiusplatz gefilmt wurde, in der Kurz-Doku „Jeder hat das Recht…“, die sich bei YouTube finden lässt.
Fünf Teams des Medienprojekts Wuppertal, jeweils bestehend aus zwei Jugendlichen und einem Mitarbeiter, waren am 23. Mai, dem Tag des Grundgesetzes, auf Demonstrationen in Dortmund, Köln, Bonn, Leverkusen und Wuppertal unterwegs, um das jeweilige Stimmungsbild zu dokumentieren. „In Wuppertal war es gemäßigt“, erinnert sich Thomas Bartsch, der das Wuppertaler Team begleitet hat und auch für den Schnitt des Films zuständig war. Er erläutert: „Aber es war teilweise eine bizarre Situation: Die Corona-Maßnahmen-Gegner demonstrierten auf dem Laurentiusplatz und gleichzeitig gab es dort eine Gegendemonstration. Beide Gruppen haben sich gegenübergestanden, getrennt durch einen Streifen von drei bis vier Metern und einige Polizisten.“
Das Medienprojekt Wuppertal, so erklärt es Geschäftsführer Andreas von Hören, ist „eine medienpädagogische Einrichtung, die jungen Menschen von 14 bis 28 Jahren das Filmen beibringt und dafür alle technischen Mittel zur Verfügung stellt. Die Filme werden erst in Wuppertal im Kino zur Premiere gebracht und dann über YouTube veröffentlicht.“ Dieses Publizieren sei von großer Bedeutung: „Wir geben den Jugendlichen eine Stimme. So können sie am gesellschaftlichen Diskurs partizipieren.“ Darum werden insbesondere Dokumentarfilme erstellt: „Wir versuchen, die Themen der Zeit zu bearbeiten – Themen, die junge Leute beeinflussen“, ergänzt von Hören.
Dem Publikum vertrauen
Dass in „Jeder hat das Recht…“ zwischen verschiedenen anderen Meinungen auch Verschwörungserzählungen wiedergegeben werden, sei teilweise kritisiert und auch intern diskutiert worden. Von Hören räumt ein: „Es werden in dem Film gängige Verschwörungsmythen wiederholt. Wir geben denen natürlich schon eine Stimme. Das stimmt.“ Man wolle jedoch niemanden „von vornherein zensieren“, da es auch für das Publikum nötig sei, andere Meinungen zu kennen, um sich eine eigene Sichtweise bilden zu können: „Wir glauben an den kompetenten Zuschauer, der seine Kompetenz auch daher bekommt, dass er das Gesehene reflektiert.“ Bartsch stimmt zu: „Ich finde es wichtig, dass ein Dialog stattfindet und man sich mit Meinungen auseinandersetzt, auch wenn sie fernab der eigenen sind. Ich glaube, wenn man diese Menschen nicht zu Wort kommen lässt und in eine Ecke drängt, dann erzeugt das eine Frustration, einen Gegendruck und im schlimmsten Fall Gewalt.“ In dem Film bleiben die einzelnen Positionen daher auch bewusst unkommentiert: Der freie Projektbetreuer findet es wichtig, neutral zu bleiben und den Zuschauer in keine Richtung zu drängen, damit er selbst differenzieren könne, „welche Punkte schon eine Berechtigung haben“ und gleichzeitig „das Absurde schon als das Absurde“ zu zeigen.
Das Medienprojekt wird die Verschwörungserzählungen übrigens vorerst nicht aus seinem Fokus verlieren, verrät von Hören: „Nach den Sommerferien werden wir eine Filmreihe zum Oberbegriff „Meinungsfreiheit“ machen und wollen ergründen, welche Rolle Verschwörungsmythen für junge Leute spielen – inwiefern sie wirklich Werturteile beeinflussen und inwiefern sie nur der Unterhaltung dienen. Denn unterhaltsam sind sie. Und deshalb werden sie auch so gerne weitererzählt.“
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