An einem kalten Winterabend öffnet Brigitta Torsy die Tür zu den Vereinsräumen in Köln-Mülheim. Drinnen treffen sich geflüchtete Menschen aus aller Welt, die Unterstützung suchen. „Die Menschen kommen ja nicht ohne Grund hierhin“, so Torsy, die Kassenwartin des Vereins. „Wer flüchtet, der hat auch Not. Keiner sagt: ‚Ich gehe jetzt einfach mal in ein anderes Land.‘“
Seit 2020 bietet der Verein geflüchteten Menschen Unterstützung beim Neustart: Hilfe bei Behördengängen, Sprachkurse, Nachhilfe oder einfach ein offenes Ohr. Doch das alles steht auf der Kippe. „Alles wird gekürzt. Nächstes Jahr gibt es nichts mehr“, sagt Torsy besorgt. Laut aktuellem NRW-Haushaltsplan wird die finanzielle Förderung ehrenamtlicher Maßnahmen für 2025 komplett gestrichen. Das NRW-Programm „Komm-an“, das seit 2016 mehr als 6000 ehrenamtliche Maßnahmen mit sieben Millionen Euro gefördert hat, wird im Haushaltsplanentwurf nicht einmal mehr erwähnt. Mit der aktuellen Finanzierung schafft es der Verein laut Torsy gerade noch so, die Miete für das nächste Jahr zu bezahlen, danach werde es eng.
Etwas zurückgeben
Mosaik ist aus der 2014 gegründeten Initiative Willkommenskultur Köln Mülheim (Wiku Mülheim) hervorgegangen und bietet vielfältige Angebote, so auch eine Ausfüllhilfe für Formulare, Unterstützung bei der Arbeits- und Wohnungssuche, Patenschaften, Schulprojekte, ein Tanzprojekt oder einen Kleiderbasar. Auch die Geflüchteten selbst wirken bei der Vereinsarbeit mit: „Viele, denen wir geholfen haben, sind jetzt Mitglied im Verein und helfen uns, zum Beispiel bei Umzügen, Übersetzungen oder Amtsgängen. Viele sagen: Ich habe viel von euch bekommen, jetzt möchte ich auch etwas zurückgeben“, so Torsy.
Alle Mitglieder arbeiten komplett ehrenamtlich. Dennoch ist der Verein auf Zuschüsse angewiesen, um die Miete zu bezahlen oder um Spiele für Kinder, Ausflüge und Verpflegung zu ermöglichen. Neben der finanziellen Lage bereitet Brigitta Torsy aber auch die politische und gesellschaftliche Stimmung Sorgen: „Momentan wird von vielen ja die sogenannte Remigration gefordert, also dass alle wieder nach Hause sollen. Das wollen wir aber nicht. Das sind wertvolle Menschen und die können hier viel erreichen, für sich und für andere. Viele machen hier echte Knochenarbeit. Die Menschenwürde bleibt momentan meines Erachtens auf der Strecke.“
Gesellschaftliche Stimmungen
Dies macht die Arbeit des Vereins umso wichtiger. „Die Menschen erhoffen sich, hier bleiben zu dürfen und sich ein neues Leben aufzubauen. Und dabei möchte ich helfen,“ erklärt Torsy ihre Motivation. Neben der Verwaltung der Finanzen des Vereins gibt sie regelmäßig Nachhilfe und hat die Patenschaft für eine geflüchtete Familie übernommen. Dabei entstehen auch Freundschaften: „Die Leute wachsen einem ans Herz.“
Trotz der finanziellen und politischen Herausforderungen empfindet Torsy die ehrenamtliche Arbeit als bereichernd: „Schon allein menschlich profitieren wir von diesen Begegnungen.“ Damit zeigt der Verein Mosaik Köln Mülheim e.V., dass ein Zusammenleben in Vielfalt nicht nur möglich, sondern auch sinnstiftend ist. Wer helfen möchte, könne sich jederzeit einbringen. „Was sind deine Stärken, wozu hast du Lust? Jeder, der helfen möchte, kann auf uns zukommen“, ermutigt Torsy. Aber auch Unterstützung durch Spenden sei in der aktuellen Lage mehr als willkommen.
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Teil 3: Lokale Initiativen – Meeresschutz im Tierpark und Fossilium Bochum