Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach. Einer derart scharfen Braut wie der Venus kann selbst ein edler Held wie der Tannhäuser nicht widerstehen. Die gemeinsame Idylle des Traumpaars ist indes nicht von langer Dauer. Das gemeinsame Kind stirbt und treibt die Eltern in die Resignation und öde Normalität des Kleinbürgerdaseins. Während die Venus im „Dita-Von-Teese-Look“ eifrig durch die Küche wienert, versumpft der einst so strahlende Recke Tannhäuser – das Dosenbier in der Hand – vor dem Fernseher. Der Absturz ist umso tiefer, als dass der Tannhäuser, so wie Dortmunds Schauspieldirektor Kay Voges ihn in seinem Debüt als Opernregisseur auf die Bühne bringt, als Christus eingeführt wird. Ein Christus, wie er im Roman „Die letzte Versuchung“ von Nikos Kazantzakis auftritt. Der Autor lässt ihn noch im Todeskampf am Kreuz schwach werden und vom Teufel in ein bürgerliches Leben mit Maria Magdalena entführen.
Es ist nicht gerade der nächstgelegene Ansatz, den sich Voges für seine Inszenierung des Tannhäuser ausgesucht hat. Zweifellos hat er mit der Kazantzakis-Anleihe eine ganze Menge in die Handlung hineininterpretiert, doch die neue Geschichte des nach Erlösung strebenden Tannhäuser ist nachvollziehbar. Möglich macht´s ein ausgiebiger Einsatz von Videoeinspielungen. Voges und der Videokünstler Daniel Hengst gehen gleich zu Beginn bis an die Belastungsgrenze des Publikums. Doch letztlich obsiegt die Faszination. Hengsts Filmclips sind außerordentlich gut und wirkungsvoll gemacht. Und sie stehlen dem Bühnengeschehen absolut nicht die Schau.
Für einen Skandal, wie er vor der Premiere in Dortmund bereits befürchtet wurde, taugt die Voges-Inszenierung sicher nicht, auch wenn sie konservative Wagnerianer ebenso sicher auf die Palme bringt. Um der Dortmunder Oper neues und jüngeres Publikum zu verschaffen, dafür ist Kay Voges hingegen ganz sicher der richtige Mann. Er befreit den Wagnerstoff sehr angenehm vom gewohnten schwülstigen Pathos und ersetzt ihn zum Teil mit überraschendem Witz. So erscheinen die Minnesänger auf der Wartburg bei Voges als eine Clique von Gangsta-Rappern, die protzig auftreten, hinter der neureichen Fassade aber ziemlich unbedarfte Proleten mit der Knarre im Hosenbund geblieben sind.
Vor der Musik macht die Persiflage aber glücklicherweise Halt. Die Dortmunder Wartburg-Sänger sind allesamt sehr gut besetzt und singen ganz und gar nicht so ungehobelt, wie sie äußerlich daherkommen. Der amerikanische Tenor Daniel Brenna ist als Tannhäuser ein doppelter Glücksgriff. Zum Einen singt er eine durchweg ergreifende Partie, lässt sich auf der anderen Seite aber auch überzeugend auf die Figur des Christus-Tannhäuser ein, wie Voges sie konzipiert hat. Christiane Kohl singt unterdessen eine strahlende Elisabeth mit emotionalem Tiefgang. Am Pult kann Dortmunds GMD Gabriel Feltz umfassend überzeugen.
„Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg“ | R: Kay Voges |
Sa 5.4. 18 Uhr | Oper Dortmund | 0231 502 72 22
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