Die letzte Oper Tschaikowskys wird zunehmend wiederentdeckt, zuletzt etwa in Gelsenkirchen. Lange stand „Jolanthe“ unter Kitschverdacht. Opernhäuser schlugen einen Bogen um den Einakter über eine blinde Prinzessin, die in einer sorgfältig abgeschirmten Welt lebt und nicht weiß, dass sie nichts sieht. Tschaikowsky fand in der Vorlage, einem Drama des Dänen Henrik Hertz, was seinem Interesse entsprach: „Ich suche ein intimes, aber starkes Drama, das auf Konflikten beruht, die ich selber erfahren oder gesehen habe, die mich im Innersten berühren können“.
Jolanthe ist, wie der homosexuelle Tschaikowsky, eine Außenseiterin. Ihre Heilung durch die Liebe des Ritters Vaudémont und die Kunst des Arztes Ibn-Hakia wirken wie eine Utopie. Sie führt in eine Welt, in der in strahlendem C-Dur Liebe und Licht regieren. Märchen, Symbolik und die Frage nach den Voraussetzungen von Erkenntnis und Liebe durchziehen das Werk. Tschaikowsky gibt der Poesie, Originalität und der Fülle an lyrischen Momenten eine intime, atmosphärisch geprägte musikalische Form – eine Herausforderung für Orchester, Dirigent Rodrigo Tomillo und Angela Davis in der Titelrolle.
Zur Oper tritt Igor Strawinskys Ballett „Der Feuervogel“. Francesco Nappa betont in seiner Interpretation den Tanz des geheimnisvollen Vogels als ein „Leuchtfeuer der Hoffnung“ in einer giftigen Umwelt und bedrohten Natur. Die magisch-symbolistischen Aspekte des Stoffs verbinden ihn mit Tschaikowskys Oper; die packende Musik und die Interpretation Nappas als Appell zum Erhalt eines menschenfreundlichen Ökosystems bringen reizvolle Kontrasteffekte mit ein.
Der aus Neapel stammende Francesco Nappa ist seit 2023 Chefchoreograph des Hagener Balletts. Er blickt auf eine lange Tänzerkarriere zurück, die ihn u.a. an das Ballett von Monte-Carlo, das Königliche Dänische Ballett und das Nederlands Dans Theater führte. Seit 2008 ist Francesco Nappa freischaffend im Bereich von Raum-, Bewegungs- und Klangkomposition tätig. Am 19. Februar ist sein Tanzabend „Interactions“ letztmals in Hagen zu erleben.
„Jolanthe“ wird inszeniert von Isabel Ostermann, die bis 2024 Operndirektorin am Staatstheater Braunschweig war. Zuletzt erarbeitete sie als Eröffnungsstück der Münchner Biennale 2024 „Searching for Zenobia“ von Lucia Ronchetti.
Doppelabend: Jolanthe/Der Feuervogel | 15. (P), 21.2., 12., 16., 30.3., 17.4., 17.5., 6.7. | Theater Hagen | 02331 207 32 18
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