Ein Putzlappen als Standarte für eine Schlacht. Eine Rasierschüssel als goldener Zauberhelm. Eine Kneipe als Schloss und eine Windmühle als vierarmiger Riese: Mit dem fahrenden Ritter Don Quixote ist wirklich kein Staat zu machen. Ein armer Narr, dem die Lektüre zu vieler Bücher den Verstand verwirrt hat. Oder doch mehr?
Der amerikanische Autor Dale Wasserman, bekannt als Bearbeiter von „Einer flog über das Kuckucksnest“, fand einen Weg, Miguel de Cervantes berühmte Parodie auf mittelalterliche Ritterromane für die Bühne zu adaptieren: Er verlegt die gesamte Handlung von „Don Quixote“ in ein Gefängnis der spanischen Inquisition, in dem Cervantes selbst den Stoff vor seinen Mitgefangenen als Schauspiel improvisiert. Im Paul-Hindemith-Schüler Mitch Leigh – geboren 1928 als Irwin Stanley Michnik – fand er einen Komponisten, der sich auf das schwierig umzusetzende Sujet einlassen wollte. Leigh war Jazzmusiker und Komponist, schrieb Gebrauchsmusik für Radio und Fernsehen und hatte einigen Erfolg mit Musik für Werbespots. Als Musical-Komponist ist er trotz des riesigen Widerhalls des „Man of La Mancha“ nicht mehr hervorgetreten.
Die Uraufführung im Sommer 1965 in der Kleinstadt East Haddam im amerikanischen Bundesstaat Connecticut wurde kaum beachtet; im November 1965 zog die Produktion in ein Off-Broadway-Theater in Greenwich Village/New York um. Der Siegeszug des als zu intellektuell bewerteten Musicals begann erst, als es 1966 fünf Tony Awards erhielt, darunter einen als „bestes Musical“. Mit Premieren in Wien und Brüssel begann zwei Jahre später der Triumphzug von „Der Mann von La Mancha“ in Europa.
Gelsenkirchen zeigt das Stück, um das es in den letzten Jahren ruhig geworden ist, in der Regie von Carsten Kirchmeier mit Philipp Kranjc als Don Quixote, Benjamin Lee als seinen Diener und „Knappen“ Sancho Pansa und Elisabeth Hübert in der Rolle der Aldonza. Ab 29. März erklingt im Musiktheater im Revier die vom Flamenco inspirierte Musik mit unsterblichen Songs wie „Dulcinea“ oder „Kleiner Fink“. Vor allem besingt der „Ritter von der traurigen Gestalt“ seinen „unmöglichen Traum“: Weil ihn seine Fantasie die Realität neu und anders begreifen lässt, gibt er der missbrauchten Schankmagd Aldonza als „Dulcinea“ eine neue Identität und lässt sie zum ersten Mal Respekt und Würde erfahren.
Der Mann von La Mancha | 29.3. (P), 5., 6., 13.4., 8., 10., 25.5., 1., 18., 20.6., 5., 12.7. | Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen | 0209 409 72 00
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