In gewissem Sinne Ursprungsort des Kommunismus, Stätte des Tanztheaters und der Schwebebahn – Wuppertal darf sich mit Manchem rühmen. Dass die bergische Großstadt seit 2010 auch „Fairtrade Town“ ist, dürfte den wenigsten bekannt sein. Schade eigentlich. Denn als 25. Preisträgerin gehörte die Stadt zu den Vorreitern in Deutschland. Zum Titel braucht es u.a. einen Ratsbeschluss und eine lokale Steuerungsgruppe. Außerdem müssen in öffentlichen Einrichtungen Produkte aus Fairem Handel verwendet werden; jetzt kommt im Rathaus nur noch ethisch vertretbarer Kaffee in die Tassen. Die Bergische Universität wartet noch auf eine Auszeichnung, dafür gibt es aber mehrere Schulen, die sich „Fairtrade Schools“ nennen dürfen. Dort setzt man sich auch thematisch mit Fairem Handel auseinander. Mit „Fairlosungen“, einem Fairtrade Musical und weiteren Aktionen nahm z.B. die Friedrich-Bayer-Realschule am „Fairen Fest“ an der Nordbahntrasse teil. Am 23. Juni diesen Jahres stand die Strecke zwischen Vohwinkel und Wichlinghausen ganz im Zeichen des Fairen Handels. BesucherInnen konnten an geführten Fahrradtouren teilnehmen, Fairtrade-Produkte erwerben oder sich informieren.
Einen besonderen Treffpunkt stellte hierbei auch der Mirker Bahnhof dar. Unter dem Titel „Utopiastadt“ kommen hier Menschen zusammen, die in kreativen Freiräumen an einer anderen Zukunft basteln. So bietet der Bahnhof eine Fahrradwerkstatt, einen barrierefreien Garten und Raum für Konzerte, Literaturpremieren und Kinoproduktionen. Ein Umdenken und Neu-Gestalten, nicht nur bei Upcycling und Co-Working, sondern auch in der Gastronomie: Das Café Hutmacher setzt auf regionale und faire Angebote. Bewusster Genuss auch beim Trassenfest: Das Bündnis gegen TTIP war hier genauso vertreten wie die Städtepartnerschaft mit Matagalpa in Nicaragua. Wuppertaler Verbindung direkt ins Land des Kaffees.
„Genau darum geht es beim Fairen Handel“ meint auch Viola Martinez Oporto. Sie betreibt mit ihrem Mann Mundo Fair – den Weltladen Wuppertal. „Wir müssen weg vom anonymen Konsum, wieder ein Gesicht hinter dem Produkt sehen.“ Ein Handel auf Augenhöhe, der die Arbeit der Erzeuger wertschätzt. Gar nicht so einfach allerdings, wenn jeder Discounter heutzutage seine Hausmarke mit Fairtrade-Siegel anbietet. „Durch das Angebot der Supermärkte verwässert das Zertifikat“, so Oporto. „Außerdem erfolgt der Anbau meist in Ländern mit korrupten Strukturen, was die Transparenz erschwert.“ Hinzu kommt die geringe Nachfrage. Ist globaler Fairer Handel also utopisch? Oder ist er Utopie, die real wird: Wie bei Mundo Fair, wo man die Lieferanten persönlich kennt. Oder in der Utopiastadt, wo sorgsam mit Mitmenschen und Ressourcen umgegangen wird – Wuppertal bewegt sich in Richtung einer gerechten Zukunft.
Das würde Friedrich Engels bestimmt auch gefallen.
Lesen Sie weitere Artikel
zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und choices.de/thema
Aktiv im Thema
fairtrade.de | Vom Wuppertaler Unternehmen GEPA betriebene Seite. Download von Broschüren zu fairen Nahrungs- und Genussmitteln.
faireinkaufenaberwie.blogspot.com | Buchautor Frank Herrmann gibt hier zahlreiche Tipps für Konsumenten.
de.makechocolatefair.org | Fair gehandelte Schokolade ist vielerorts erhältlich, doch der Großteil des Schoko-Handels passiert leider noch unfair. Leidtragende sind Kakaobauern.
Wohlstand und Frieden: Ohne Handel geht es nicht
Über Welthandel und eigene Verantwortung. Zukunft jetzt!
Schreiben Sie uns unter meinung@engels-kultur.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Wuppertal will Hauptstadt werden
Der Runde Tisch Fairer Handel – Teil 1: Lokale Initiativen
Warum der Schokohase bitter schmeckt
Gütesiegel für Fairen Handel können nur der Anfang sein
Utopie mit vielen Haken
Die englische Stadt Norwich setzt sich Fairen Handel als Ziel
Geteiltes Glück
Zwänge und Freuden gemeinsamen Besitzes
„Den Marktmechanismus bewusst unterbrechen“
Ökonomin Nora Szech über fair gehandelte Produkte und seriöse Siegel
Zusammen und gegeneinander
Teil 1: Lokale Initiativen – Spieletreffs in Wuppertal
Jenseits der Frauenrolle
Teil 2: Lokale Initiativen – Die Spieldesignerin und Label-Gründerin Mel Taylor aus Köln
Immer in Bewegung
Teil 3: Lokale Initiativen – Sportangebote für Jugendliche im Open Space in Bochum
Verbunden über Grenzen
Teil 1: Lokale Initiativen – Wuppertal und seine europäischen Partnerstädte
Zu Gast in Europas Hauptstadt
Teil 2: Lokale Initiativen – Die europäische Idee in Studium und Forschung an der Kölner Universität
Europa verstehen
Teil 3: Lokale Initiativen – Initiative Ruhrpott für Europa spricht mit Jugendlichen über Politik
Wasser für Generationen
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Wupperverband vernetzt Maßnahmen und Akteure für den Hochwasserschutz
Was keiner haben will
Teil 2: Lokale Initiativen – Das Kölner Unternehmen Plastic Fischer entsorgt Plastik aus Flüssen
Korallensterben hautnah
Teil 3: Lokale Initiativen – Meeresschutz im Tierpark und Fossilium Bochum
Häusliche Gewalt ist nicht privat
Teil 1: Lokale Initiativen – Frauen helfen Frauen e.V. und das Wuppertaler Frauenhaus
Hilfe nach dem Schock
Teil 2: Lokale Initiativen – Opferschutz bei der Kölner Polizei
Orientierung im Hilfesystem
Teil 3: Lokale Initiativen – Die Opferschutzorganisation Weisser Ring in Bochum
Ein neues Zuhause
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Wuppertaler Tierschutzverein Pechpfoten
Forschung muss nicht quälen
Teil 2: Lokale Initiativen – Ärzte gegen Tierversuche e.V. argumentiert wissenschaftlich gegen Tierversuche
Kaum entdeckt, schon gefährdet
Teil 3: Lokale Initiativen – Artenschutz und Umweltbildung in der Zoom Erlebniswelt Gelsenkirchen
Einander Zeit schenken
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Nachbarschaftsheim Wuppertal
Ankommen zu zweit
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Verein Start with a Friend knüpft Kontakte für die Einwanderungsgesellschaft
Nach dem Vertrauensbruch
Teil 3: Lokale Initiativen – Therapeuten-Netzwerk besserlieben berät auch zu offenen Beziehungen
Betroffen und wehrhaft
Teil 1: Lokale Initiativen – Wuppertals Solidaritätsnetzwerk
Bereicherte Arbeit
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Verein Migration und Arbeitswelt