engels: Herr Bohn, „Realität ist ein Traum“ und „Es besteht kein Grund, sich irgendwelche Sorgen zu machen“ heißt es in Ihrem Thriller „Reality XL“. Was war die grundlegende Idee zum Film?
Tom Bohn: Vor allem wollten wir etwas drehen, das nicht dem deutschen Klischee entspricht und vor allem keine 08/15-Geschichte ist, die man schon hundertmal gesehen hat. Im Fernsehen sah ich einen Beitrag über erste Versuchsreihen in Teilchenbeschleunigern. Die Ergebnisse waren faszinierend. Was für eine durchgeknallte Geschichte, dachte ich, da lässt sich etwas Besonderes draus realisieren. Es ist eine ziemlich ungewöhnliche, alles andere als eindimensionale Geschichte über die Entstehung der Welt.
Wie schwierig war es, die Idee umzusetzen?
Im Mai vergangenen Jahres begann ich, das Drehbuch zu schreiben. Im Oktober war es fertig, und bereits in Januar dieses Jahres haben wir begonnen, am Ammersee zu drehen.
Sie haben nicht nur das Drehbuch verfasst und Regie geführt, sondern den Film bei Ihrer eigenen Firma Indie-Stars selbst produziert. Warum?
Es wäre mir auch lieber gewesen, wenn es nicht independent wäre. Es ist ziemlich aufregend, mit dem eigenen Geld zu drehen. Ich bin kein dogmatischer Indie-Filmer. Dafür bin ich viel zu sehr in der Szene drin und habe zu oft „normal“ gedreht. Aber bei dem Thema war es nicht möglich, Fördermittel zu beantragen. Das ist ein zu ungewöhnliches Thema, und es wäre zu zeitintensiv gewesen, dafür Geld an den üblichen Stellen anzufragen. Und die Zeit hatten wir nicht.
Wie schlimm ist das Diktat der Quote, dem Sie beim „normalen“ Dreh ausgesetzt sind?
Ich erkenne meinen Lieblingssender ARD nicht mehr wieder. Da hat sich in den vergangenen zehn Jahren etwas verändert, das ich nicht verstehe. Inzwischen diktieren die Regularien der Werbewirtschaft, wie ein Film zu machen ist. Das war zu Beginn der 90er bis Anfang 2000 sehr anders. Ich verstehe nicht, worauf die Verantwortlichen inzwischen hinauswollen und woran sie sich orientieren.
Deshalb gründeten Sie Indie-Stars?
Ja, es ist eine tolle Möglichkeit, zu arbeiten, und eine Plattform, andere zu featuren. Vor allem kann ich meine Sachen konsequent machen. Es gibt eine Wahrheit hinter der Wahrheit, und das hat mich immer interessiert. So sind Filme wie „Das Kommando“ oder „Eine Frage des Gewissens“ entstanden.
Wer sich verplant, verkalkuliert oder verspekuliert, der ist am Ende womöglich pleite. Was waren Schwierigkeiten, mit wenig Geld den Film zu realisieren?
Ohne Max Tidorf, den ich schon ganz lange kenne, wäre es unmöglich gewesen. Er war der erste wirklich bekannte Schauspieler, der zusagte. Er war großartig, sagte „klasse Buch, die Rolle spiele ich!“. Das gleiche passierte mit Heiner Lauterbach. Wir kennen uns lange, und er ist die Idealbesetzung für den Film. Aber er muss Unmengen von Text lernen, bekommt kein Geld und kommt auch noch in ein so experimentelles Umfeld, da traute ich mich erst nicht an ihn ran. Als Heiner sagte „Ich spiele“, war mir klar: Wir drehen.
Was wünschen Sie sich für den Film?
Wenn die Arbeit, wenn das honoriert würde, dass wir etwas ganz Anderes gemacht haben, wir also eine Chance bekämen, diese Offenheit, die wäre großartig. Es ist ein anderes Thema, es ist filmisch anders umgesetzt. Das wäre ein riesengroßes Geschenk vom Publikum an uns alle. Deshalb meine Bitte: Wenn der Film am 12. Januar anläuft, dann geht ins Kino.
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