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Erfährt Unglaubliches von ihrem Mann: Jessica Schwarz mit Andreas Döhler in „Die Hände meiner Mutter“
Foto: Presse

„Es ist wichtig, darüber zu sprechen“

24. November 2016

Jessica Schwarz über „Die Hände meiner Mutter“, Besetzungsprobleme und Auszeichnungen – Roter Teppich 12/16

Jessica Schwarz wurde 1977 im Odenwald geboren und hat sich seit ihrem Hauptrollendebüt in „Nichts bereuen“ an der Seite von Daniel Brühl zu einer der bekanntesten und erfolgreichsten Schauspielerinnen hierzulande entwickelt. Zu ihren populärsten Filmen zählen „Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders“ von Tom Tykwer, die Thomas-Mann-Verfilmung „Buddenbrooks“ und ihre Auftritte als Frau Rose in der Reihe um „Die wilden Hühner“. Sie erhielt schon den Grimme-Preis, den Bambi, den Bayerischen Filmpreis und den Hessischen Fernsehpreis. In ihrem neuesten Film „Die Hände meiner Mutter“, der am 1. Dezember in den Kinos anläuft, geht es um sexuelle Gewalt an einem Jungen, die von dessen Mutter ausgeübt wurde.

engels: Frau Schwarz, sexuelle Übergriffe durch Frauen sind medial längst nicht so präsent wie die der Männer. Was glauben Sie, woran das liegen könnte?

Jessica Schwarz: Das ist schwierig. Ich muss gestehen, dass ich mich mit der Thematik überhaupt nicht auskannte. Ich wusste darüber gar nichts und war wirklich vor den Kopf gestoßen, weil man sich das auch als Frau gar nicht so recht vorstellen kann. Die Vorstellung der Mutterliebe und die damit verbundene Weichheit stehen da in meinen Gedanken im Vordergrund. Auch, wenn man als Mutter nicht immer alles richtig macht, stehen die Handlungen den Kindern gegenüber für mich eher in einem weichen oder beschützenden Kontext. Deswegen kam mir das zunächst gar nicht in den Sinn und hat mich sehr verstört. Aber als Schauspieler muss man auch solchen Themen gegenüber offen bleiben und ihnen begegnen, denn es ist wichtig, darüber zu sprechen und die Thematik zu behandeln.

Der Film findet einen Erklärungsversuch für die mediale Unterrepräsentation des Themas in der Scham der Männer, die in ihrem Selbstwertgefühl in solch einem Fall noch stärker getroffen scheinen als die Frauen...

Genau. Das ist meiner Meinung nach tatsächlich eine nachvollziehbare Begründung. Frauen und Mädchen wird mittlerweile nähergebracht, dass sie darüber sprechen dürfen und können. Bei Männern überwiegt noch die Scham und die Angst, selbst versagt zu haben.

Kannten Sie Florian Eichingers beiden vorangegangenen Kinofilme, als Sie hierfür das Angebot bekamen?

Ich hatte lediglich eine Vorschau zu „Nordstrand“ gesehen und wollte mir den eigentlich unbedingt ansehen. Aber wie das so häufig bei kleineren Filmen der Fall ist, war er dann schnell wieder aus den Kinos verschwunden. Mittlerweile hat man durch Streamingportale bessere Möglichkeiten, an diese Filme heranzukommen. Als Florian und ich uns dann kennenlernten, wurde ich darin bestätigt, dass wir einen ähnlichen Geschmack haben. Florian ist jemand, der in die Tiefen geht, viel wissen möchte und wahnsinnig gut vorbereitet ist. Trotzdem war er sehr offen den Vorschlägen der Schauspieler gegenüber. Bei Themen wie diesem finde ich es toll, dass ich auch meine eigene Meinung einbringen und meine Figur mitgestalten konnte.

Familiengewalt ist in Eichingers bisherigen Filmen immer ein zentrales Motiv gewesen. Hatte er deswegen klare Vorstellung, wie er Sie an das Thema heranführt?

Schon sein Drehbuch war sehr stark und die große Vorarbeit darin ersichtlich. Ich hatte meine Figur für mich hinterfragt, und Florian hatte darauf sehr viele Antworten. Andere haben wir dann gemeinsam im Gespräch miteinander gefunden. Dabei sind wir auf Kleinigkeiten gestoßen, die es mir ermöglicht haben, meine Figur besser zu verstehen.

Ein wunderbarer inszenatorischer Kniff sind die Rückblenden, in denen das Kind ebenfalls von Andreas Döhler gespielt wird. War das auch schon ein Element des Drehbuchs oder ist die Idee dazu erst beim Drehen entstanden?

Diese Idee ist tatsächlich beim Vordreh mit Lars Eidinger entstanden, der die Rolle des Markus ursprünglich spielen sollte. Eidinger selbst hatte diese Idee, das wurde dann ausprobiert und hat filmisch tatsächlich sehr gut funktioniert. Das Ergebnis geht schon unter die Haut. In dieser Form hätte man das sicherlich auch nicht mit einem Kind in der Rolle darstellen können, in dieser Dringlichkeit hätte man es so gar nicht präsentieren können.

Andreas Döhler dürften die wenigsten Zuschauer kennen, da er bislang eher selten vor der Kamera gestanden hat. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm für Sie?

Es war schon sehr interessant, als Florian Eichinger mir sagte, dass wir ein Besetzungsproblem hätten und wir in Gedanken ganz Deutschland nach einem Ersatz abgeklappert haben. Wir haben darüber stundenlang telefoniert, auch zusammen mit der Casterin, und die unterschiedlichsten Möglichkeiten durchgespielt (lacht). Andreas Döhler kannte ich im Vorfeld tatsächlich noch nicht, und wir haben uns dann erst kurz vor Drehbeginn das erste Mal getroffen. An ein, zwei Tagen konnten wir uns dann kennenlernen und Szenen ausprobieren, bis wir merkten, welche uns nicht so liegen und an welchen wir noch intensiver arbeiten müssen. Andreas kommt ja vom Theater und ist sehr hartnäckig darin, das Beste aus jeder Szene herauszuholen. Das mag ich an einer Zusammenarbeit ja wahnsinnig gerne, auch wenn es dabei zu Reibereien kommt und man sich nicht immer einig ist. Aber in diesen Auseinandersetzungen steckt ja auch viel Leidenschaft, die letztendlich dem Film zugutekam.

Haben Sie auch versucht, sich in das Thema einzulesen, oder genügte Ihnen das Hintergrundwissen von Florian Eichinger für Ihre Rolle?

Wir haben wirklich sehr intensiv darüber gesprochen, das Lesen darüber fand ich für meine Rolle nicht so hilfreich. Ich bin ein starker Bauchmensch und versuche immer irgendwie, die Erfahrungen für mich selbst zu machen. Während der Dreharbeiten habe ich zu dem Thema noch ein bisschen gelesen, aber das Meiste wollte ich aus den Gefühlen heraus erzählen, die in mir selbst entstanden sind.

Sie haben mittlerweile schon so ziemlich jede Auszeichnung erhalten, die man hierzulande als Schauspieler bekommen kann. Bedeuten Ihnen diese Preise überhaupt noch etwas?

Nein, das stimmt nicht (lacht). Für die Goldene Kamera und den Deutschen Filmpreis war ich nur nominiert, aber das ist ja auch schon großartig. Es gibt so viele tolle Kolleginnen, Kollegen und Filmprojekte, und in diesen Momenten spürt man einfach, dass es richtig ist, diese auszuzeichnen, um auf die Projekte aufmerksam zu machen. Ich bin mit dem, was ich erreicht habe, sehr zufrieden. Auszeichnungen finde ich wichtig, weil sie nach außen wirken und auf die Filme aufmerksam machen.

Gibt es noch bestimmte Rollen oder Zusammenarbeiten, die Sie sehr reizen würden, wenn Sie sich völlig frei dafür entscheiden könnten?

Es gibt so viele tolle Regisseure, mit denen ich gerne zusammenarbeiten würde! Ich würde sehr gerne mal mit Lars Kraume arbeiten, oder auch mal wieder mit Dominik Graf. Oder auch mit Marc Rothemund, den ich als Freund schätze. Das geht bei mir in sehr viele Richtungen, weil ich da offen für alles bin. Im Sommer habe ich mit Pepe Danquart gerade die Komödie „Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner“ gedreht, die wirklich süß und lustig geworden ist. Komödien können wirklich viel Spaß machen, wenn es gute Komödien sind (lacht), wobei das natürliche auch eine Frage des persönlichen Geschmacks ist. Meiner Meinung nach dürfen Komödien nicht unter der Gürtellinie stattfinden.

Interview: Frank Brenner

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