Es scheint nicht gerade so, als sei Sergej Prokofjew der Gunst des Publikums hinterher gelaufen. Mit seiner „Liebe zu den drei Orangen“ negierte er so ziemlich alles, was dem Opernpublikum lieb und teuer war: Er lieferte keine Ohrwürmer, keine psychologischen Entwicklungen oder pathetische Gesten. Ohne einflussreiche Fürsprecher in seiner neuen Heimat USA wäre die Groteske wohl nicht so schnell auf die Bühne gekommen. Doch das Stück hatte bei seiner Uraufführung 1921 überraschend großen Erfolg – erst in den USA, dann sogar weltweit. Bis heute ist der kurze Vierakter für ein Stück der Klassischen Moderne erstaunlich zugkräftig. Der Schlüssel zum Erfolg mag sein, dass der Komponist sich schon vor Beendigung der Partitur davon verabschiedet hatte, die abgehobenen theatertheoretischen Hintergründe der satirischen Handlung ernsthaft transportieren zu wollen. Ihm genügte der Spaß am Grotesken. So ist es bis heute geblieben. Die Essener Aalto-Oper hat nun eine Inszenierung von Laurent Pelly auf die Bühne gebracht, die vor rund zehn Jahren bereits in Amsterdam zu sehen war und nur eines sein will: ein harmloser bunter Spaß.
Das Gute daran: Regie-handwerklich und optisch ist die Produktion durchaus ein Knüller. Bühnenbildnerin Chantal Thomas nimmt das Kartenspiel des ersten Aktes, in dem die böse Fee „Fata Morgana“ (Teiya Kasahara) Macht über den melancholischen Prinzen (Alexey Sayapin) gewinnt, zum Ausgangspunkt beinahe sämtlicher Kulissen. Der Palast wird zum Kartenhaus; König (Tijl Faveyts), „Buben“ und Damen scheinen direkt den Spielkarten entsprungen zu sein. Für die überaus wirkungsvollen Kostüme zeichnet übrigens Regisseur Pelly selber verantwortlich. Stringenz und Ideenreichtum dieses Ausstattungskonzepts verdienen höchstes Lob!
Schattenseite des Augenschmaus‘: Nach satirischer Bissigkeit sucht man in dieser Produktion leider absolut vergeblich. Pelly präsentiert ein eher biederes Opernmärchen für die ganze Familie – bunt und unterhaltsam, aber nur mäßig komisch, weil gänzlich das Überraschungsmoment fehlt. Dabei bietet sich der Stoff durchaus dazu an, komödiantisch zu überdrehen. Doch dazu braucht es eine Lust am Anarchischen, die Pelly, dem langjährigen Operndirektor aus Frankreich, völlig abgeht. Immerhin gibt er auch nichts anderes vor. Wenn sich Tenor Albrecht Kludszuweit als kleiner dicker Spaßmacher Trufaldino zum letzten Akt mit Popcorn ins Publikum setzt, bringt das Pellys Intention wohl auf den Punkt: Genießt und lacht!
Für die Ohren ist der Genuss ebenfalls gewährleistet. Dirigent Yannis Pouspourikas reizt die Partitur mit hoher Differenziertheit aus und fordert dabei den Solisten mitunter einige Kraftakte ab – welche sie allerdings gut bewältigen.
„Die Liebe zu den drei Orangen“ | R: Laurent Pelly | Do 7.1., Fr 22.1. je 19.30 Uhr, So 17.1. 18 Uhr | Aalto-Musiktheater Essen | 0201 812 20
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