Es war schon eine schallende Ohrfeige, eine von der Sorte, bei der die Ohren noch lange nachklingeln. Da ringen die Choreographinnen der Freien Szene – allen voran die Tänzerinneninitiative – seit den 90er Jahren um die Errichtung eines Tanzhauses in Köln, und dann macht in einem Ideenwettbewerb, den die Stadt Köln für die vorläufige Nutzung ausschreibt, plötzlich Anja Kolacek das Rennen. Sie soll in der Zeit, bis die Handwerker im Sommer mit dem Umbau zweier Industriehallen in Mülheim beginnen, in denen ein neuer Ort für den Tanz in Köln geschaffen wird, schon einmal Programm machen. Mag sein, dass die anderen zu schlafmützig waren oder auf dem falschen Fuß erwischt wurden, weil sie gerade auf Tourneen ihr Geld zu verdienen hatten, aber kann man diejenigen, die das Rückgrat der Kölner Tanzszene ausmachen, so einfach übergehen? Anja Kolacek und Marc Leßle traten erst im letzten Jahr mit ihrem wundervollen Projekt „Köln tanzt“ in der Szene so richtig auf den Plan. Sie sind sympathisch, klug, voller berstendem Tatendrang, und sie haben ihr Projekt „Köln tanzt“, bei dem mehr oder weniger jeder mitmachen kann, zum Konzept für das gemacht, was in Mülheim an der Schanzenstraße im Entstehen begriffen ist.
Schleunigst errichteten Anja und Marc ihre „Suppenküche“ in den noch leeren Industriehallen, alle sollen sich an einem Feuerchen wärmen. „Auf Runde Tische habe ich keine Lust mehr. Wir machen einfach“, sagt Anja Kolacek und fügt hinzu: „Wir befinden uns in einem künstlerisch super spannenden Moment“. Aus diversen Richtungen werden Gruppen eingeladen. Noch während unseres Gesprächs entsteht die Idee, der Veranstaltungsreihe das Logo „9 ½ Wochen“ zu verpassen. Kontakte zu Firmen werden schon geknüpft, um die Hallen auch über kommerzielle Nutzung mitzufinanzieren. Kolacek und Leßle schlafen nicht. Ein solches Tandem kann noch einmal wichtig für die Szene sein.
Nur warum muss dann schon mit dem Namen „Tanzhaus“ gewunken werden? Noch steht abgesehen von der Außenhaut nichts in Mülheim, schon jetzt wird überlegt, dass der Begriff auch virtuell verstanden werden könnte und Tanzorte wie das Rhenania oder die Orangerie mit unters Dach gerückt würden. Genau das hatten wir ja schon, möchte man einwenden. Es kam, wie es kommen musste, die anderen fühlten sich brüskiert, und das sind mit Britta Lieberknecht, Silke Z., Gerda König, Achim Konrad und Angie Hiesl genau die Choreographen, die in den letzten Jahren die Preise abräumten. Wie steht man gegenüber Essen und Düsseldorf da, den Platzhaltern des NRW-Veranstaltungsbetriebs, wenn von einem Haus gesprochen wird, das noch keinen Leiter und keine Technik hat? Gut, dass Konrad Schmidt-Werthern, der Leiter des Kulturamtes, mit Fleiß und Findigkeit die Hallen in der Schanzenstraße an Land gezogen hat, ein Tanzhaus hat Köln deshalb noch nicht. Ein altes Problem holt die Domstadt ein, zu große Etikette, die das, was sich letztlich an Möglichkeiten eröffnet, im Vorhinein erdrückt. Lieber sollte man kleine Brötchen backen, die überzeugen dann möglicherweise aber durch Qualität.
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