Ihre Wurzeln am Theater hat die 1965 in Göttingen geborene Juliane Köhler nie aus den Augen verloren. Seit mehr als zehn Jahren ist sie festes Ensemblemitglied am Residenztheater in München. Auf der Kinoleinwand gelang ihr der Durchbruch mit ihrer mehrfach ausgezeichneten Darstellung in „Aimée und Jaguar“, danach war sie in Kassenschlagern wie „Nirgendwo in Afrika“ oder „Der Untergang“ (als Eva Braun) zu sehen, aber auch in kleineren Filmen wie „Ein ruhiges Leben“ und „Novemberkind“. Mit Georg Maas hat Köhler nun „Zwei Leben“ über das Schicksal der Lebensborn-Kinder gedreht, der September in den Kinos anläuft.
engels: Frau Köhler, auf den ersten Blick beeindruckt die Menge an norwegischem Dialog, den Sie in „Zwei Leben“ sprechen. Mussten Sie die Sprache extra für den Film lernen?
Juliane Köhler: Ja, Sie haben Gott sei Dank die Originalfassung gesehen, denn es wird den Film auch in einer synchronisierten Form im Kino zu sehen geben. Das deutsche Publikum ist ja so wahnsinnig verwöhnt, deswegen wurde der Film leider auch komplett deutsch synchronisiert. Aber zu Ihrer Frage: Ich habe Norwegisch extra für den Film gelernt. Ein Jahr lang, inklusive der Grammatik, denn ich wollte das von der Pike auf richtig lernen. Das ist natürlich ein wahnsinniger Aufwand für einen einzigen Film, aber wir haben sehr lange gekämpft, „Zwei Leben“ überhaupt realisieren zu können, zehn Jahre insgesamt! Ich war von Anfang an besetzt und habe mich irgendwann auch in die lange tragische Geschichte der fehlenden Finanzierung des Films eingeklinkt. Die Geldgeber haben einfach nicht an das Drehbuch geglaubt, ganz im Gegensatz zu den Schauspielern, die es alle toll fanden. Inklusive Liv Ullmann, die auch schon seit vier oder fünf Jahren mit im Boot war. Alle Schauspieler haben für eine ganz kleine Gage gearbeitet, weil sie so wahnsinnig von dem Buch fasziniert waren. Durch den langen Prozess hatte ich aber auch genügend Zeit, die Sprache zu lernen.
Beeindruckt Sie es als Schauspielerin noch, mit einer Filmlegende wie Liv Ullmann vor der Kamera zu stehen, oder ist das dann einfach nur noch eine Kollegin für Sie?
Zu sehr beeindrucken darf es einen natürlich nicht, weil man ansonsten unsicher wird. Klar, Liv Ullmann ist auch für mich eine große Legende, seit Kindertagen bin ich ein Fan von ihr. Als ich sie traf und kennenlernte, war das alles wie weggeblasen, weil sie im Privaten ein ganz, ganz normaler und netter Mensch ist. Sie gibt einem überhaupt nicht das Gefühl, sie sei eine große Diva. Ihr Legendenstatus verschwindet in dem Moment, in dem man mit ihr arbeitet, weil sie sehr professionell ist und ihre Berühmtheit gar nicht zur Schau stellt. Das ist sehr sympathisch. Sie ist unglaublich lustig und hat unsere ganze Gruppe immer zusammengehalten, hat sogar für andere Kaffee geholt und war ganz normal.
Nicht nur die Schauspieler, auch das Team war deutsch-norwegisch gemischt. War das eine besondere Erfahrung?
Klar, denn das hatte irgendwie einen internationalen Touch. Wir haben am Set natürlich Englisch gesprochen, und die Norweger waren sehr professionell, da sie ihre Arbeit unglaublich ernst nahmen. Ich will nicht sagen, dass das in Deutschland nicht so wäre, aber die Atmosphäre am Set war sehr konzentriert, vielleicht weil das Land so klein ist und deswegen eine größere Konkurrenzsituation herrscht. Das lag aber sicherlich auch am Drehbuch, weil alle so begeistert davon waren. Alle wussten, dass wenig Geld vorhanden war und dass man sich anstrengen musste.
Die Geschichte basiert auf einem unveröffentlichten Roman von Hannelore Hippe, die auch am Drehbuch mitgearbeitet hat. Wie stark hat sie sich denn während der Dreharbeiten eingebracht?
Das hat sie gar nicht mehr. Sie hat ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr am Drehbuch mitgearbeitet, das war aber auch von Anfang an so vorgesehen. Weil dann eben der Regisseur Georg Maas, Christoph Tölle und Judith Kaufmann das Drehbuch weiterentwickelt haben, als sie wussten, wer in der Verfilmung mitspielen wird.
Judith Kaufmann ist eigentlich Kamerafrau, hier hat sie nun zusätzlich am Drehbuch mitgearbeitet und auch Teile der Regie übernommen. Wie kam das zustande?
Ja, das war eine Art Co-Regie. Judith Kaufmann ist sehr eng befreundet mit Georg Maas, die beiden arbeiten einfach richtig gut miteinander zusammen. Sie haben sich stets gegenseitig befruchtet und Judith war all die Jahre auch von Anfang an mit an dem Projekt beteiligt. Wir alle sind schon so lange dabei, dass wir uns mit dem Stoff sehr stark identifiziert haben, auch Judith Kaufmann. Am Set hat sie oftmals großartige Vorschläge gemacht, mit denen alle anderen sofort einverstanden waren. Für mich als Schauspielerin war es auch toll zu sehen, dass es keine feste Rangordnung, keine Hierarchie gab, sondern dass alle zusammengearbeitet haben.
Filme werden häufig nicht chronologisch gedreht. Hier spielen Sie eine sehr komplexe Figur, die im Laufe der Handlung unterschiedliche Facetten offenbart. War das dann nicht umso schwieriger, sich immer in die jeweilige Situation hineinzudenken?
Das war in diesem Fall sogar einfacher, weil ich wirklich so gut vorbereitet war. Ich kannte einfach jeden Gedanken meiner Figur Katrine und wusste in jedem Moment genau, was sie tut und was sie denkt. Wenn man so gut vorbereitet ist, dann kann man auch das Ende am Anfang drehen, dann ist das wirklich egal. Für mich war es ein Privileg, die Rolle so gut zu kennen. Ich hätte an jeder Stelle des Films mit Drehen anfangen können. Das ist für einen Schauspieler wie ein Leckerbissen, weil ich technisch so gut vorbereitet war. Man hätte mich dabei wie in der Schule abfragen können, und ich hätte die Stelle genau gekannt. Schade ist es für einen Schauspieler immer nur, wenn man ein bis vier Wochen vor Drehbeginn erfährt, dass man bei einem Film dabei ist, dann muss man sich unglaublich schnell vorbereiten, und dann ist es umso schwieriger, unchronologisch zu drehen.
Sie pendeln zwischen Theater und Film, spielen dazwischen auch gelegentlich fürs Fernsehen. Gibt es denn noch Rollen, die sie reizen würden und die sie bislang noch nicht spielen konnten?
Ja, mich reizt immer mal wieder eine richtige, heftige Komödie. Das habe ich mit Doris Dörrie fürs Fernsehen mal gemacht mit „Klimawechsel“, da konnte ich ein bisschen reinschnuppern und das hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht. So etwas wünsche ich mir im Theater und auch im Film. Ansonsten wünsche ich mir nichts, denn es kommt immer das Richtige. Das ist so mein Motto. Ich bin im Theater sehr zufrieden und dort auch sehr aufgehoben, spiele tolle Rollen, und wenn dann mal eine Filmrolle wie in „Zwei Leben“ kommt, dann bin ich sehr glücklich. Solch ein Volltreffer kommt aber höchstens alle zehn Jahre.
Neben „Klimawechsel“ haben Sie auch beim Kölner „Tatort“ eine wiederkehrende Rolle übernommen. Reizen Sie solche seriellen Figuren generell?
Ja! Ich würde ungern einen „Tatort“-Kommissar spielen wollen, das machen jetzt wirklich alle anderen, das muss ich nicht auch noch machen. Aber so eine kleine Sache wie im Kölner „Tatort“ oder meine Rolle in „Bella Vita“, „Bella Australia“ und „Bella Dilemma“, in denen ich Andrea Sawatzkis Freundin spiele und alle ein bis zwei Jahre eine Folge zu drehen habe, das ist auch schön. Ich mag das ganz gern, wenn man die Rolle schon kennt. Aber ich wollte jetzt nicht unbedingt einen Kommissar spielen oder so etwas.
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