Muslime bauen einen Friedhof in Wuppertal. Das klingt selbstverständlich, schließlich leben tausende im Tal. Tatsächlich starten täglich Flugzeuge mit verstorbenen Muslimen aus Deutschland in die alte Heimat. Auf einigen kommunalen Friedhöfen in NRW ist es mittlerweile zwar möglich, auf eigenen Gräberfeldern traditionelle muslimische Bestattungen in Tüchern durchzuführen, doch wird das bislang nur selten in Anspruch genommen: Schätzungsweise 90 Prozent der Muslime werden in den Ländern beigesetzt, in denen schon ihre Vorfahren die letzte Ruhe gefunden haben. „Ich war bis jetzt noch bei keiner einzigen Beerdigung, die hier stattgefunden hat. Alle Muslime aus meinem Bekanntenkreis sind überführt worden“, berichtet Alen Huduti. Ein Grund dafür sei, vermutet er, dass die Möglichkeit, sich sarglos bestatten zu lassen, hier erst seit fünf Jahren bestehe, also noch relativ neu sei. Da der Islam nicht als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt ist, ist es auch erst seit der Novellierung des NRW-Bestattungsgesetzes vom Oktober 2014 möglich, Friedhöfe unter muslimischer Trägerschaft zu bauen. So wird der geplante Friedhof der erste in Deutschland sein, der von Muslimen betrieben wird.
Huduti ist Vorsitzender des Vereins Muslimische Friedhöfe Wuppertal e.V., der aus der Interessenvertretung Wuppertaler Moscheen hervorgegangen ist. Und er muss nicht lange überlegen, wo er selbst einmal bestattet werden möchte: „Ich habe drei Kinder. Die sind alle hier geboren. Ich habe den Wunsch, dass ich auch hier beigesetzt werde – dort, wo meine Kinder leben.“ Der 35-jährige ist 1991 mit seiner Mutter und seiner Schwester aus dem heutigen Bosnien nach Deutschland geflüchtet. „Ich bin zum größten Teil in Wuppertal aufgewachsen. Das ist meine Heimat. Ich fühle mich dieser Stadt verbunden und meine Kinder genauso. Ich möchte nicht in einem Land beerdigt werden, aus dem zwar meine Vorfahren kommen, zu dem ich aber keinen richtigen Bezug mehr habe.“ Er wisse, dass er mit seiner Meinung nicht alleine dastehe. „Wenn wir über Integration sprechen, dann sollte das nicht mit dem Tod enden“, meint er. Gleichzeitig gebe es viele Menschen mit Migrationshintergrund, die noch eine größere Verbundenheit zu dem Land haben, in dem ihre Wurzeln liegen, etwa weil die eigenen Eltern dort begraben seien. Er findet: „Es sollte beide Möglichkeiten geben. Jeder soll für sich die beste wählen.“
Der Friedhof für 1.200 Gräber auf 20.000 Quadratmetern soll an der Krummacherstraße in Wuppertal Varresbeck entstehen – direkt neben einem evangelischen und einem jüdischen Friedhof. Huduti weiß die symbolische Bedeutung einzuordnen: „Es sind drei eigenständige Friedhöfe, aber sie sind dennoch nah beieinander. Das hat was Positives. Es ist schön, dass dann die drei großen monotheistischen Religionen nah beieinander sind. Letztendlich sind wir im Tod alle gleich.“
Der gemeinnützige Verein, in dem ausschließlich Ehrenamtliche aktiv sind, versucht, den Friedhof aus Spendengeldern zu finanzieren. Man rechnet mit Kosten von 500.000 Euro. „Bis jetzt haben wir über 200.000 Euro sammeln können. Das ist schon beachtlich“, berichtet der Vereinsvorsitzende. Zum Jahreswechsel soll nun das Grundstück erworben werden: „Wir müssen den Kauf abwickeln und wollen dann gucken, was wir schon realisieren können. Im ersten Quartal sollen die Bauarbeiten anrollen.“ Er hofft, dass auch die Spendenbereitschaft steigen wird: „Ich wünsche mir, dass wir dieses Projekt so schnell wie möglich auf die Beine stellen können, dass es Nachahmer findet und dass sich viele Muslime dann auch hier beerdigen lassen – in ihrer neuen Heimat.“
Hinweis: Wenn Sie depressiv sind oder Selbstmord-Gedanken haben, wenden Sie sich bitte umgehend an die Telefonseelsorge: im Internet unter www.telefonseelsorge.de oder unter der kostenlosen Hotline 0800-111 01 11 oder 0800-111 02 22. Hier helfen Ihnen Berater, die Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.
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