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Eine Musiklegende in jungen Jahren: Jan Bülow in „Lindenberg! Mach dein Ding.“
Presse

„Er lässt sich einfach nichts sagen“

19. Dezember 2019

Jan Bülow über „Lindenberg! Mach dein Ding“ – Roter Teppich 01/20

Der 1996 in Berlin geborene Jan Bülow sammelte erste Schauspielerfahrungen am Jugendtheater des Deutschen Theaters seiner Heimatstadt. Dort übernahm er 2011 beispielsweise die Titelrolle in „Odyssee nach Homer“. Im Jahr darauf stand er zum ersten Mal vor einer Kamera, spielte später Nebenrollen in „Der Nanny“ oder dem preisgekrönten Fernsehfilm „Aus der Haut“. In der Frank-Goosen-Adaption „Radio Heimat“ übernahm Bülow 2016 eine der Hauptrollen und wurde 2018/19 Ensemblemitglied am Schauspielhaus Zürich. In der Hauptrolle in „Lindenberg! Mach dein Ding“ verkörpert er nun eine deutsche Musiklegende. Der Film von Hermine Huntgeburth startet am 16. Januar in den Kinos.

engels: Herr Bülow, nachdem Sie sich im Vorfeld sicherlich lange mit Udo Lindenberg beschäftigt haben, was ist Ihrer Meinung nach das Besondere an ihm, die Quintessenz von Lindenberg?

Jan Bülow: Das ist schwierig, da gibt es viele Quintessenzen (lacht). So wie ich ihn kennengelernt habe, ist er zunächst mal ein wahnsinnig guter Gastgeber. Dann gibt es aber auch den früheren Udo, den wir im Film zeigen, und den Udo der 70er und 80er Jahre… Zusammenfassend kann man tatsächlich sagen, er „macht sein Ding“. Er lässt sich, mit einer gewissen Sturheit, einfach nichts sagen. Diese Posse um die deutschsprachige Rock’n’Roll-Musik war in dieser Zeit etwas völlig Individuelles. Er wollte seine Lieder in deutscher Sprache singen, um sie den Leuten zugänglich und verständlich zu machen. Dazu gehört eine gewisse Sturheit und ein Ego, mit dem er als Boss durchziehen kann, was er will. Andererseits sieht man in Materialien über den frühen Udo gelegentlich einen unsicheren, nicht ganz körperbewussten jungen Typen durchscheinen, der aber schon im Rampenlicht steht. Da sieht man noch ein klein wenig den Jungen aus Gronau, der sich aber andererseits schon ganz akribisch überlegt, wie er die Showtreppe herunterläuft, wie er seine Zigarette hält, wie er seinen Drink hält, damit er aussieht wie ein Star. Das ist ein Typ, der sich zu inszenieren weiß und der sich trotzdem nicht so sehr inszeniert, dass er einem abgehoben vorkommt.

Was war für Sie denn die größere Herausforderung – einen ersten Film als Star zu tragen oder eine lebende Legende zu verkörpern?

Als ich die Rolle angeboten bekam, habe ich mich bei dem Gedanken erwischt, „Wieso kann ich nicht einfach jemanden spielen, den es gar nicht gibt?“ Ich hatte wahnsinnige Angst davor, irgendetwas falsch zu machen, irgendjemanden unter Umständen sogar zu verletzen. Es kam da irgendwie alles zusammen, zumal ich zur gleichen Zeit auch am Theater in Zürich eine Hauptrolle angeboten bekommen habe. Das I-Tüpfelchen hier war die Tatsache, dass es um eine Person ging, die real existent ist, und dass das Original noch lebt und auch noch als Musiker aktiv ist. Der Druck hat sich in diesem Fall einfach nur vermischt.

Da es im Film eher um den jungen Lindenberg geht, war vermutlich die Sichtung alter Originalaufnahmen für das Finden der Figur wichtiger als die Treffen mit Lindenberg selbst?

Ja, auf der einen Seite stimmt das. Andererseits fand ich es auch sehr wichtig, ihn persönlich zu treffen. Mir reicht es teilweise, Menschen zu erleben, um mir ein Bild von ihrer Persönlichkeit zu machen. Ein Video beinhaltet immer eine gewisse Distanz. Lindenberg ist, auch wenn mittlerweile viel Zeit vergangen ist, immer noch der gleiche Mensch. Ich habe schon sehr viel Recherche betrieben, aber für mich war es ein springender Punkt, ihn kennenzulernen. Bei diesen Treffen ist gar nicht viel Besonderes passiert, ich habe mit ihm einfach über Gott und die Welt geredet. Trotzdem hat es in mir auch eine Form der Entspannung ausgelöst, weil ich ihn besser verstehen konnte. Man weiß, dass er spielerisch mit Sprache umgeht und ein verrückter Vogel ist, aber, wenn man ihn dann sieht und freundschaftlich beobachtet, dann versteht man plötzlich sehr viel davon. Für mich war es weniger wichtig, ihn akribisch zu studieren, was ich auch gemacht habe, als eher seinen Modus nachvollziehen zu können. Das ist mir dann bei meinen Treffen mit ihm gelungen.

Ist es Ihnen leichtgefallen, sich in die doch recht spezielle Zeit in den ausgehenden 1960er Jahren hineinzuversetzen?

Meine geschichtliche Bildung ist in diesem Bereich nicht schlecht, und ich habe mit meiner Rolle in „Radio Heimat“ ja schon einmal eine Zeitreise in die Vergangenheit gemacht. Eine ganze Reihe von Leuten aus dem Produktionsteam leisten bei solch historischen Stoffen ja eine unglaubliche Arbeit, am Ende steht man dann in einem perfekten Szenenbild mit alten Autos und alten Requisiten. Wenn man dann die Kameras und Scheinwerfer ausblendet, dann kommt das schon fast einem Re-Enactment gleich. Mir hilft das enorm, sobald das alles stimmt, kann ich mich in die Zeit hineinversetzen.

Ein Eintauchen in andere Zeiten dürfte für jeden Schauspieler ein gefundenes Fressen sein...

Ja, total. Dieser Film ist ohnehin für mich als Schauspieler ein totaler Leckerbissen. Wir haben Konzert- und Musikszenen, wir haben einen historischen Film, er ist ein Familiendrama, eine Komödie, er enthält Liebesszenen – da bin ich schauspielerisch wahrlich auf meine Kosten gekommen! Bei meiner ersten großen Rolle ist jetzt schon so ziemlich alles dabei gewesen, was ich gerne einmal gemacht hätte.

Mussten Sie für die Rolle extra Schlagzeug spielen lernen oder hatten Sie schon musikalische Vorkenntnisse?

Nein, null Komma null! Während des Filmens habe ich mir da einen Riesenstress gemacht, weil gerade das Schlagzeug ein enorm undankbares Instrument ist, gerade, wenn man bei null anfängt. Man kann sich da hinter nichts verstecken und nichts faken, denn man sieht jede Bewegung, weil sie mit dem Körper einhergeht. Beim Klavierspielen kann man so filmen, dass die Hände nicht zu sehen sind, aber beim Schlagzeug bewegt sich eigentlich fast der gesamte Körper, und dann muss man auch noch cool dabei aussehen. In meiner Sommerpause im Juli in Berlin hatte ich einen Monat Zeit, davor und danach habe ich für „Hamlet“ in Zürich geprobt. Ich habe auch verstanden, dass ich in dieser Zeit an jedem Tag in den Raum fahren musste, der mir zur Verfügung gestellt wurde, um das Schlagzeugspielen zu üben – ansonsten wäre das nichts geworden. Wenn es jetzt um komplizierte Jazznummern geht, dann kann ich das natürlich noch nicht einwandfrei trommeln, da musste man im Film dann in manchen Details ein wenig nachhelfen, aber ich würde schon behaupten, dass ich mittlerweile Schlagzeug spielen kann. Ich hatte große Angst, dass es am Ende nicht gut aussieht, deswegen habe ich hier viel Zeit investiert. Aber ich glaube, es ist mir am Ende ganz gut geglückt.

Sie haben eine klassische Schauspielausbildung absolviert und spielen auch regelmäßig Theater. War es von Kleinauf ein Wunsch von Ihnen, Schauspieler zu werden?

Nein, von Kleinauf nicht. Lustigerweise war das die Idee meines kleinen Bruders. Mit acht oder neun Jahren hatte der mal den Wunsch geäußert, Schauspieler zu werden. Da hat sich dann ein Verwandter darum gekümmert und ihn an eine Jugend-Nachwuchs-Agentur vermittelt, die Kinderrollen gecastet hat. Samstags hat er dann immer an einem Coaching teilgenommen, bei dem er Szenen spielte, was ihm sehr gefallen hat. Daraufhin wollte ich das auch machen, und mir hat es auch sehr gefallen. Ich musste dann allerdings vier Jahre lang eine Zahnspange tragen, woraufhin der Agent sagte, das würde nun aber schwer werden mit Filmrollen. Ich wollte aber nicht aufgeben und bin dann mit samt meiner Zahnspange ans Jugendtheater gegangen (lacht), wo ich dann meine große Liebe zum Theater entdeckt habe. Irgendwann habe ich dann erfahren, dass man den Beruf auch studieren kann. Das war mir gar nicht so bewusst. Ich hatte immer gedacht, man wird auf der Straße angesprochen oder ist verwandt mit einem bekannten Schauspieler. So habe ich dann mein Studium an der Schauspielschule Ernst Busch begonnen. Ich habe aber bis jetzt keinen Abschluss bekommen, da die Schule mich rausgeworfen hat, weil ich wegen meines frühzeitigen Engagements und des Filmdrehs in Zürich nicht mehr anwesend sein konnte. Ich habe ihnen angeboten, meine Leistungen außerhalb der Schule anzuerkennen, denn eigentlich hatten sie meinen Weggang nach Zürich genehmigt, und ich habe das alles ja zeitgleich zur eigentlichen Ausbildung gemacht, doch davon wollten sie dann nichts mehr wissen. Eigentlich ein kleiner hochschulrechtlicher Skandal.

Interview: Frank Brenner

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