engels: Frau Steinmann, mit Ihrer Produktionsfirma One Fine Day Films unterstützen Sie FilmemacherInnen in Afrika. Wie kam das Projekt zustande?
Marie Steinmann: Unsere kenianischen Koproduktionspartner Ginger Ink haben uns mit dem kenianischen Autor Billy Kahora in Kontakt gebracht. Er erzählte uns von dem Nyawawa-Mythos, dem Leben und Alltag in Kibera, woraufhin wir gemeinsam das Drehbuch für „Soul Boy“ entwickelten.
Gibt es eine Strategie, um zu vermeiden, dass sich kolonialistische Tendenzen, wie man sie aus der klassischen Entwicklungshilfe kennt, bei der Unterstützung einschleichen?
In den letzten Jahren hat der One Fine Day Verein bereits zahlreiche Kunstworkshops in Nairobi durchgeführt. Ich habe dabei eine Arbeitsweise entwickelt, die wir auch in die Spielfilmworkshops übertragen: die Vermittlung ästhetischer Prinzipien als Grundlage, um die eigene Kreativität und das vorhandene Wissen weiterzuentwickeln. Dabei geht es sicher nicht darum, eine Strategie zu entwickeln, um etwas zu verhindern. Vielmehr passen wir unser Training an die individuellen Bedürfnisse vor Ort an und beobachten sehr genau, was wir verbessern oder anpassen müssen.
„Soul Boy“ ist sehr vom kulturellen Hintergrund geprägt. Geht es um regionale Eigenarten, oder würden Sie auch einen afrikanischen Genrefilm produzieren?
Jeder Film erzählt aus einer Situation, einer Welt, seinem kulturellen Hintergrund heraus. „Soul Boy“ bietet uns in Deutschland die Möglichkeit, Einblick in den Lebensalltag des größten Slums Afrikas zu bekommen. Eine Erfahrung, die wir als Zuschauer ohne das Medium Film nicht so einfach machen würden. Natürlich geht es dabei um die regionale Eigenart, und wenn diese regionale Eigenart als Genrefilm erzählt werden muss, dann würden wir das natürlich auch produzieren. Solange es sich im Rahmen unserer Produktionsbedingungen verhält.
Müssen Sie als Produzenten nicht fürchten, dass die Filme aufgrund der starken regionalen Thematik sehr schwer zu vermarkten sind? Der Film läuft ja nicht nur in Kenia bzw. Afrika, sondern startet auch in Deutschland …
Leider lässt sich für keinen Film vorhersehen, wie erfolgreich er am Schluss tatsächlich ist. Als Produzent trägt man immer das Risiko, dass sich niemand für den Stoff interessiert. Nun gewann „Soul Boy“ beim Filmfestival in Rotterdam den Publikumspreis, wurde in Edinburgh, Sydney, Montreal, Chicago und Durban gezeigt. Bei der diesjährigen Berlinale kam der Film großartig beim jungen Publikum an, und wir sind gespannt, was die deutschen Kinozuschauer sagen.
Sie drehen zurzeit in Nairobi bereits den zweiten Film des Projektes. Handelt es sich wieder um einen Jugendfilm, und wird er wieder in Deutschland in die Kinos kommen?
Bei unserem neuen Projekt handelt es sich nicht um einen Kinder- und Jugendfilm. „Nairobi Half Life“ erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der vom Land in die Stadt kommt, um seinen Traum, Schauspieler zu werden, zu verwirklichen. Ob er in die deutschen Kinos kommt, wissen wir noch nicht. Zunächst muss der Film fertig werden. Und das ist auch noch eine Reise.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
„Alles ist heute deutlich komplizierter geworden“
Julien Hervé über „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“ – Gespräch zum Film 03/24
„Versagen ist etwas sehr Schönes“
Regisseur Taika Waititi über „Next Goal Wins“ – Gespräch zum Film 01/24
„Ich muss an das glauben, was ich filme“
Denis Imbert über „Auf dem Weg“ – Gespräch zum Film 12/23
„Ich hatte bei diesem Film enorm viel Glück“
Tarik Saleh über „Die Kairo Verschwörung“ – Gespräch zum Film 04/23
„Ich wollte das damalige Leben erfahrbar machen“
Maggie Peren über „Der Passfälscher“ – Gespräch zum Film 10/22
„Ich wollte das Geheimnis seiner Kunst ergründen“
Regina Schilling über „Igor Levit – No Fear“ – Gespräch zum Film 10/22
„Migration wird uns noch lange beschäftigen“
Louis-Julien Petit über „Die Küchenbrigade“ – Gespräch zum Film 09/22
„Die Wüste ist ein dritter Charakter im Film“
Stefan Sarazin über „Nicht ganz koscher – Eine göttliche Komödie“ – Gespräch zum Film 08/22
„Diese Generationenkonflikte kennen viele“
Katharina Marie Schubert über „Das Mädchen mit den goldenen Händen“ – Gespräch zum Film 02/22
„In der Geschichte geht es um Machtverhältnisse“
Bettina Oberli über „Wanda, mein Wunder“ – Gespräch zum Film 01/22
„Wir wollten kein langweiliges Biopic machen“
Regisseur Andreas Kleinert über „Lieber Thomas“ – Gespräch zum Film 11/21
„Gustave Eiffel war seiner Zeit voraus“
Martin Bourboulon über „Eiffel in Love“ – Gespräch zum Film 11/21
„Richtiges Thema zur richtigen Zeit“
Sönke Wortmann über „Contra“ – Gespräch zum Film 10/21
„Wie spricht man mit einem Kind über den Tod?“
Uberto Pasolini über „Nowhere Special“ – Gespräch zum Film 10/21
„Seine Kreativität lag lange im Verborgenen“
Sonia Liza Kenterman über „Der Hochzeitsschneider von Athen“ – Gespräch zum Film 09/21
„Du denkst, die Erde bebt“
Regisseurin Anne Zohra Berrached über „Die Welt wird eine andere sein“ – Gespräch zum Film 08/21
„Ich würde so gerne gehen. Aber ich weiß nicht, wohin.“
Produzentin Bettina Wente über „Nahschuss“ – Gespräch zum Film 08/21
„Es geht bei Fassbinder um Machtstrukturen“
Oskar Roehler über „Enfant Terrible“ – Gespräch zum Film 10/20
„Familienfilm mit politischer Haltung“
Dani Levy über „Die Känguru-Chroniken“ – Gespräch zum Film 03/20
„Nicht alles erklären“
Patrick Vollrath über „7500“ – Gespräch zum Film 01/20
„Corinna Harfouch ist eine Klasse für sich“
Jan-Ole Gerster über „Lara“ – Gespräch zum Film 11/19
„Der Film brauchte eine Bildgewalt“
Christian Schwochow über „Deutschstunde“ – Gespräch zum Film 10/19
„Das Thema war in der DDR absolut tabu“
Bernd Böhlich über „Und der Zukunft zugewandt“ – Gespräch zum Film 09/19