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Jüdischer Student in den 1950er Jahren: Logan Lerman in „Empörung“
Foto: Presse

„Leidenschaft kann man nicht erzwingen“

26. Januar 2017

Logan Lerman über „Empörung“, jüdische Wurzeln und Karriereentscheidungen – Roter Teppich 02/17

Der gerade 25 Jahre jung gewordene Logan Lerman ist ein ehemaliger Kinderstar („Was Frauen wollen“, „Butterfly Effect“), der auch als Erwachsener eine beachtliche Karriere vorweisen kann. Neben Rollen in Filmen wie „Todeszug nach Yuma“, „Die drei Musketiere“ oder seiner Titelfigur in den „Percy Jackson“-Filmen hat er in den letzten Jahren auch in „Noah“ oder „Herz aus Stahl“ mitgewirkt. Im Regiedebüt des gefeierten Drehbuchautoren James Schamus („Tiger & Dragon“), der Philip-Roth-Verfilmung „Empörung“, spielt er nun einen jüdischen Studenten, der in den 1950er Jahren an der Universität mit Antisemitismus zu kämpfen hat. Der Film startet am 16. Februar in den Kinos.

engels: Mister Lerman, Sie sind genau wie Ihre Figur Marcus Jude. Fiel es Ihnen deswegen einfacher, sich mit Ihrer Rolle zu identifizieren?

Logan Lerman: Ja, ganz bestimmt. Als ich in einem anderen Film mal einen Christen spielen sollte, war mir das sehr fremd. Ich habe keine Ahnung, wie es ist, in einem christlichen Haushalt aufzuwachsen. Das musste ich mir alles erst anlernen. Bei „Empörung“ hatte ich kaum Nachforschungen zu betreiben, weil ich selbst jüdisch aufgewachsen bin. Ich hatte persönlichen Bezug zur Familie, zu den Werten und auch zum jiddischen Dialekt. Ich konnte mich also ganz gut mit meiner Figur identifizieren, aber das war es nicht, was mich an dem Film reizte. Viel wichtiger waren mir dabei die Stärke der Story und die Tiefgründigkeit meiner Figur. Das Herzstück des Films ist ja die lange Unterhaltung zwischen dem Dekan und Marcus, wegen dieser Szene wollte ich den Film unbedingt machen. Und wegen dieser Szene hätte ich auch beinahe wieder einen Rückzieher gemacht, weil ich Angst hatte, es nicht zu schaffen. Es ist die interessanteste Szene in einem Drehbuch, die ich jemals für jemanden in meinem Alter gelesen habe. Sie hat mich sehr gereizt, obwohl sie natürlich auch sehr schwierig war, zumal sie von Anfang bis Ende in einer einzigen, zwanzigminütigen Einstellung gedreht wurde. Es gab keine Zwischenschnitte und keinerlei Kamerabewegung in dieser Szene. Das war eine große Herausforderung für mich.

Glauben Sie, dass einige der Probleme, die Ihre Figur aufgrund ihrer jüdischen Abstammung erfährt, auch heutzutage noch für junge jüdische Menschen gelten?

Ja, ganz bestimmt, da bin ich mir sicher. Vielleicht nicht gerade für jemanden wie mich, der in einer stark jüdisch dominierten Gegend wie Los Angeles aufgewachsen ist. In meiner Jugend war das nicht unbedingt ein Thema. Aber es gibt da ganz andere Gegenden in einem so großen Land wie den Vereinigten Staaten, wo diese Probleme durchaus noch Relevanz haben. Was im Film noch interessant ist, ist die Tatsache, dass Marcus ja ein atheistischer Jude ist. Trotzdem wird er in eine Schublade gepackt und in eine Gemeinschaft gezwungen, mit der er eigentlich nichts zu tun hat und mit der ihn nichts verbindet. Das finde ich sehr faszinierend.

Sie haben an diesem Film auch zum ersten Mal als ausführender Produzent gearbeitet. Wie ist es dazu gekommen?

Sie sind auf mich zugekommen, bevor sonst jemand in das Projekt involviert war. James Schamus schrieb das Drehbuch und gab es mir, und kurz darauf habe ich direkt mit ihm die Arbeit an dem Film begonnen. Ich habe an den Gesprächen teilgenommen, nicht die Telefonate im Vorfeld geführt. Aber ich war in alle Entscheidungen eingebunden und konnte mitentscheiden, wer für die kreativen Abteilungen und für die weiteren Schauspielrollen engagiert wird.

Hat Ihnen das neue Erkenntnisse verschafft, nun mal bei den Prozessen beteiligt zu sein, die ansonsten wohl eher stattfinden, bevor sie in ein Projekt einsteigen?

Nein, denn ich war nicht zum ersten Mal in so einem frühen Stadium mit dabei, ich habe hier nur zum ersten Mal eine Nennung dafür in den Credits erhalten (lacht). Es ist bei mir eher die Regel, dass ich so intensiv in meine Projekte involviert bin, obwohl ich natürlich manchmal auch einfach nur als Schauspieler engagiert werde. Aber neu war das nicht für mich, weil ich meistens so arbeite.

Könnten Sie sich also vorstellen, Ihren Arbeitsschwerpunkt einmal komplett hinter die Kamera zu verlagern?

Ja, das würde ich sehr gerne tun! Ich arbeite derzeit in dieser Hinsicht wirklich an einer ganzen Menge Projekte, denn ich möchte gerne etwas mehr Kontrolle über meine Karriere haben und eigene Projekte für mich finden, egal ob als Schauspieler, Regisseur oder Produzent. Ich bin lieber in den kreativen Prozess dieser Dinge eingebunden, als einfach nur anzunehmen, was man mir anbietet, und darauf zu hoffen, dass es gut ist. Ich entwickle im Moment einige Projekte, die sicherlich bis zu zwei Jahre Zeit benötigen, aber das sind dann am Ende meine Herzensprojekte, die ich von der Leine lassen kann, wenn sie meiner Meinung nach soweit sind.

War es für Sie als sie jünger waren schwierig, wenn andere Menschen über Ihre Karriere entschieden haben?

Ja, ich hasste das! Ich habe als junger Schauspieler viele Dinge gemacht und in Filmen gespielt, in die man mich hineingequatscht hat. Man sagte mir, ich müsste bestimmte Rollen spielen. Aber am Ende hat meine Karriere von diesen Rollen enorm profitiert, weil das für mich wichtige Erfahrungen waren. Wenn ich einen Film hasste oder mit meiner Darstellung oder meiner Figur darin nicht glücklich war, dann habe ich davon mehr gelernt als von den Rollen, mit denen ich rundherum zufrieden war. Von Fehlern zu lernen ist meiner Meinung nach sehr wichtig. Ich hatte das Glück, diese Fehler gemacht zu haben, als ich noch ein Kind war. Zu dieser Zeit lässt man einem das eher durchgehen, als Erwachsener wird alles, was man tut, viel genauer unter die Lupe genommen.

Wie wählen Sie heute Ihre Rollen aus, was braucht ein Drehbuch, damit es Ihr Interesse weckt?

Es muss einfach gut geschrieben sein und meine Rolle muss mir liegen. Woran ich das festmache, kann ich gar nicht genau sagen. Die Figur sollte Substanz haben, herausfordernd für mich sein und irgendwie anders, denn ich hasse Wiederholungen. Mir wurde beispielsweise einmal ein toller Film angeboten, den ich ablehnte, weil meine Rolle darin derjenigen, die ich im Film zuvor gespielt hatte, zu ähnlich gewesen wäre. Das war keine leichte Entscheidung für mich, aber ich wollte mich einfach nicht wiederholen, weil man sonst schnell in einer Schublade steckt. Deswegen kämpfe ich eher für Rollen, die die Zuschauer nicht von mir erwarten und die anders sind als alles, was ich bisher gemacht habe.

Sie haben einmal erwähnt, dass Stanley Kubrick Ihr Lieblingsregisseur ist. Gibt es einen lebenden Regisseur, mit dem Sie gerne einmal zusammenarbeiten würden?

Da gibt es viel zu viele, das ist das Problem. Es gibt auch so viele talentierte Leute, die noch niemand kennt und die vielleicht noch nicht einmal einen Film gedreht haben. Wenn ich trotzdem ein paar Namen nennen soll, dann fällt mir da Denis Villeneuve ein, dessen Filme ich ziemlich cool finde. Ich kann es nicht erwarten, sein „Blade Runner“-Sequel zu sehen! Nicht, dass ich darauf aus wäre, in einem seiner Filme eine Rolle zu ergattern, aber ich finde einfach toll, was er macht. Oder auch László Nemes, der „Son of Saul“ inszeniert hat, fantastisch! Ich mochte auch „Mustang“ sehr gerne, ein fantastischer Film [gemeint ist der Oscar-nominierte Debütfilm der türkischen Filmemacherin Deniz Gamze Ergüven; die Red.].

Sind Sie bei der Auswahl Ihrer Rollen sehr selektiv, denn Sie haben in den letzten Jahren sicherlich deutlich weniger gedreht, als Ihnen angeboten wurde?

Ja, es ist auch nicht immer einfach, so selektiv zu sein. Ich befürchte auch immer, dass ich deswegen in Vergessenheit gerate. Aber ich habe mir geschworen, keine Filme mehr zu drehen, die mich nicht begeistern. Ich brauche Leidenschaft, um auf dem Niveau arbeiten zu können, das ich mir selbst setze. Und Leidenschaft kann man nicht erzwingen.

Versuchen nicht Ihre Agenten, Ihnen mehr Rollen aufzuschwatzen?

Nein, ganz im Gegenteil. Sie wissen, was mir wichtig ist und beraten mich auf exzellente Weise. Sie schwatzen mir keine minderwertigen Projekte auf. Agenten, die das früher bei mir gemacht haben, habe ich schon vor langer Zeit gefeuert. Trotzdem bleibt die Angst, in Vergessenheit zu geraten oder keine guten Skripte mehr geschickt zu bekommen. Das ist ein echtes Dilemma für mich, denn richtig glücklich bin ich nur an einem Filmset oder in der Vorbereitungsphase für einen Film. Dazwischen macht sich immer Unruhe breit, und ich durchlebe schwierige Phasen.

Sie haben auch in großen Blockbustern wie „Noah“ mitgespielt. Würde Sie auch einmal eine Rolle in einer der enorm erfolgreichen Comicverfilmungen reizen?

Ich habe aus dem Bereich noch kein Drehbuch gelesen, das mich gereizt hätte. In diesem ganzen Filmgenre gibt es derzeit nichts, was mein Interesse weckt. Aber das heißt nicht, dass sich das nicht ändern kann, wenn ein spannender Filmemacher oder eine reizvolle Figur für mich drin wären. Die meisten dieser Filme sind allerdings sehr formelhaft und wiederholen ein Erfolgsrezept. Es gibt meiner Meinung nach spannendere Projekte aus dem Bereich des Mainstreamkinos als das x-te Remake einer weiteren Comicverfilmung (lacht). Das finde ich ziemlich langweilig.

Interview: Frank Brenner

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