Jan Schomburg, 1976 in Aachen geboren, studierte zunächst Visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Kassel, um danach an der Kunsthochschule für Medien (KHM) in Köln Regie zu studieren. 2008 führte ihn ein Stipendium nach Warschau. Nach mehreren preisgekrönten Kurzfilmen ist „Über uns das All“ sein Kinodebüt.
engels: Herr Schomburg, Sie haben mit solch erfahren Darstellern wie Sandra Hüller und Georg Friedrich gedreht. Wie war die Zusammenarbeit für Sie als Kinofilmdebütant?
Jan Schomburg: Begriffe wie „Debütant“ oder „erfahren“ verlieren bei einer intensiven Zusammenarbeit ja oft schnell ihre Bedeutung, denn letzten Endes begibt man sich gemeinsam auf eine Reise ins Ungewisse. Sowohl Sandra Hüller wie Georg Friedrich und auch Felix Knopp sind Schauspieler, denen Allüren oder Arroganzen fremd sind – sie alle sind Forscherseelen im besten Sinne des Wortes.
Sandra Hüller ist vielleicht eine der wenigen deutschsprachigen Schauspielerinnen, die derart emotionale Szenen unpathetisch umsetzen können. War sie ihre Traumbesetzung für die Rolle?
Ja. Wie Sandra eine filmische Realität herstellt, ihre Furchtlosigkeit, mit der sie in Emotionen eintauchen kann, die Sicherheit, mit der sie immer das Klischee meidet – es gibt, glaube ich, sehr wenige Schauspielerinnen, die das so beherrschen. In diesem Film war für mich aber die eigentliche Entdeckung, wie leichtfüßig, lustig und sexy Sandra auch sein kann.
Der Film geht in seiner Emotionalität an die Schmerzgrenze, wirkt dabei aber immer wahrhaftig, nie kalkuliert. Wie näherten sie sich der Umsetzung solcher extremen Szenen?
Die Annäherung an solche Szenen passiert vor allem beim Schreiben, wo ich selber die Emotionen der Figuren am Stärksten durchlebe. Während des Drehens kann man dann als Regisseur den Schauspielern gerade bei den emotionalen Szenen oft nicht wirklich helfen, meist wissen sie selber besser als ich, was zu tun ist.
„Über uns das All“ ist thematisch doppelt aufgeladen: Es geht um den Verlust der Liebe, aber auch um ihre Austauschbarkeit. Wie fanden sie zu diesem Themenkomplex?
Ich habe mich gefragt, ob nicht gerade die Idee der romantischen Liebe, die ja per Definition die Liebe zu einer individuellen Person meint, in Wirklichkeit vollkommen unabhängig vom Gegenüber sein könnte. Martha lebt ihre Liebe als etwas, das größer ist als der Tod des Geliebten, die Liebe wird zu einer Idee, die nicht mehr an eine Person gebunden ist. Vielleicht ist das ja die eigentliche Kraft der Liebe: Dass sie eben nie das Gegenüber meint, sondern immer eine Vision des Gegenübers. Oder, wie Alexander es im Film sagt: „Ich liebe den Menschen, den du aus mir machst.“
Sie haben an der KHM studiert. Was ist für sie das besondere an der Kölner Medienschmiede, auch im Vergleich zu klassischen Filmhochschulen?
Die KHM bietet die außergewöhnliche Möglichkeit, sich sehr unterschiedlichen und teilweise konträren Denkweisen aussetzen zu können – es wird nicht nur die künstlerische Praxis in verschiedenster Form unterrichtet, sondern mit den Medienwissenschaften auch die Reflektion auf diese Praxis. Ich glaube, dass die KHM mit dieser Philosophie und dieser Mischung ziemlich einzigartig in Deutschland ist.
Gibt es bereits ein neues Projekt?
Das erste neue Projekt lässt sich bereits im Internet ansehen: Unter www.drverbier.de kann man die zweifelhaften Erfolge der „Expositionsmaßnahme nach Verbier“ verfolgen. Der Arbeitstitel meines nächsten Kinofilms ist „Lena und Tore und Lena“.
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