Peter Ott, Jahrgang 1966, hat visuelle Kommunikation studiert. Er ist Filmemacher („Hölle Hamburg“), Filmproduzent und Musiker beim Schabinggrad Quartett. Seit 2007 ist er Professor für Film & Video an der Merz-Akademie.
engels: Herr Ott, im Interview mit Schorsch Kamerun erfuhr ich seinerzeit, wie scheiße die Band die Tournee-Doku „Golden Lemons“ fand. Geht man vorsichtiger an einen solchen Film heran, wenn man Kritik erwartet?
Peter Ott: Mein Film hat ja einen anderen Ausgangspunkt. Das war mehr ein Freundschaftsprojekt, da liegen die Fallstricke woanders. Die Zitronen wollten eine DVD rausbringen, und ich sollte das ganze historische Material zusammenschneiden. Ich habe gesagt, wie viel Geld ich dafür brauche, das war dem Label aber zu viel. Dann habe ich mir das Geld selber besorgt, und so ist das eben mein Projekt geworden. Da musste ich dann wieder aufpassen, dass das nicht zu einer Biografie verkommt, mit der ich nur Blumensträuße verteile. Außerdem geht es ja um so etwas wie Geschichtsschreibung, da könnte der Zuschauer hinterher denken: „So war das!“, wie man das jetzt vielleicht bei dem Baader-Meinhof-Film denkt. Aber die Geschichte wird ja immer von den Siegern geschrieben...
Der Film scheint mit seinen verschiedenen Materialebenen das selbstreflexive Moment der Goldenen Zitronen zu spiegeln...
Der ganze Film ist eher eine mediale Historiografie, es geht um die Geschichte der medialen Aufzeichnung. Bei den frühen Konzertaufnahmen ist z.B. der Ton teilweise totaler Murks, weil das Signal übersteuert ist. Das hätte ich mit etwas Arbeit neu unterlegen können. Es wäre aber falsch gewesen, weil der Film an einer Wahrhaftigkeit des Signals klebt - und das ist an der Stelle eben kaputt.
Sie würden also sagen, es gibt so etwas wie das Authentische?
Ja klar gibt es das als Konvention, aber das ist nicht wertfrei. Die Frage ist ja, warum man das so macht. Der ganze Film ist getragen von einem gewissen Misstrauen, vor allem gegenüber dem Popuniversum, und fragt, warum zeigen die sich so und warum interessieren sich die Medien für dieses oder jenes. Authentisch ist nicht die Abbildung des Rockmusikers als ‚Mensch’ hinter dem Image. Authentizität, die mich interessiert, gibt es nur auf der Ebene des Signals, und in der Spur seiner Modulation und Verstärkung bildet sich „Rockmusik“ authentisch ab. Deshalb eben auch die verzerrten Liveaufnahmen.
Man merkt auch der Band im Film Misstrauen an. Wie nah haben die Sie nach der negativen Erfahrung mit „Golden Lemons“ an sich heran gelassen?
Wenn man Fragen stellt und konkrete Antworten erwartet, können eben Konflikte auftreten. Aber es war ja weder mein Bestreben, die Goldenen Zitronen zu entlarven noch sie zu verherrlichen. Und ich wollte eben auch keinen Blick hinter die Kulissen liefern. So ein Künstlerportrait mache ich nicht. Beim Schnitt gab’s teilweise berechtigte Einwände der Band, denen ich entsprochen habe, und teilweise einfach verschiedene Ansichten, auch innerhalb der Band. Da konnte ich die gegeneinander ausspielen (lacht). Es gab noch lange Diskussionen wegen des Titels...
...wer hat sich durchgesetzt?
Ich (lacht). Der ist von mir, und den fanden eigentlich alle blöd. Der Titel ist eine verkorkste Übersetzung eines Gemäldes von Daniel Richter- „Lonely Old Slogan“.
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