Die Unsicherheit ist groß, als sich an einem Juniabend Anwohner*innen am Mehmet-Kubaşık-Platz zu einer Kundgebung versammeln. Seit Mai steht hier ein Überwachungscontainer. Ob alle gefilmt werden, ist nicht klar. Die Veranstalter:innen bewirkten zwar in einem Gerichtsverfahren, dass die Kameras sichtbar abgeschaltet werden, etwa durch Verhüllung. Doch die Polizei folgte dem Urteil nicht, wie die Veranstalter:innen beklagen, die nun erneut einen juristischen Weg suchen. Der Ausgang ist offen.
Seit Monaten schwelt dieser Konflikt, nachdem im November bereits zwei Kameras auf die Dortmunder Münsterstraße gerichtet wurden. Achtzehn Kameras sowie der Überwachungscontainer sind bisher installiert worden. Die Bürger:inneninitiative „Nachbar:innen gegen die Videoüberwachung“ kritisieren, dass mit der Montage Fakten geschaffen werden. Die Initiative reichte gegen die Maßnahme bereits damals eine Klage beim Oberverwaltungsgericht ein. Doch in erster Instanz ist die Klage gescheitert.
Die Polizei betrachtet den 300 Meter langen, nördlichen Abschnitt der Münsterstraße als Kriminalitätsschwerpunkt. Auch Ladenbesitzer erhoffen sich von der Videoüberwachung eine Besserung, wie Martin Pilpul, Mitglied der Initiative, erzählt: „Auch wir wollen nicht herunterspielen, dass es hier Probleme gibt.“ Regelmäßig komme es zu Ruhestörungen. Die Polizei erhofft sich von der Maßnahme vor allem eine Reduzierung der Drogendelikte. Denn gerade der unerlaubte Handel mit Cannabis stieg von 2019 auf 2020 um knapp acht Prozent. Fakt ist aber auch, dass die Gesamtzahl der Straftaten seit 2014 um fast 30 Prozent rückgängig ist.
Martin Pilpul ist aber skeptisch, dass eine technische Aufrüstung die Lage verbessert: „Die Polizei trägt auch dazu bei, dass es hier nicht immer gemütlich läuft.“ Wiederholt sorgten in Zusammenhang mit den Einsätzen Vorwürfe des „Racial Profiling“ für Aufregung. Arthur Winkelbach, ebenfalls in der Initiative aktiv, bezweifelt die Wirksamkeit der Kameraüberwachung. Die Maßnahme ziehe einen erwartbaren Effekt nach sich: Die Drogenkriminalität verlagert sich einfach auf die umliegenden Orte, die nicht beobachtet werden. Und das ist bereist eingetreten: Viele „Ticker“ zog es zuletzt in den Dortmunder Westen.
Für Geflüchtete mit einem Duldungsstatus besteht ein dreimonatiges Arbeitsverbot. Winkelbach vermisst daher insbesondere politische Lösungsansätze, über den Sicherheitsdiskurs hinaus. Mit Blick auf die Dealer: „Viele stehen hier stundenlang herum und würden auch gerne andere Jobs machen“, sagt er. „Diese Leute brauchen erst mal Hilfe, das ist für mich eine ursozialdemokratische Herangehensweisen“, so Winkelbach.
Tatsächlich besitzt auch Polizeipräsident Gregor Lange einen Parteiausweis der SPD und lehnte die Überwachung zunächst ab. Dann kam das neue NRW-Polizeigesetz. Auf Grundlage des darin enthaltenen Paragraphen 15a berechtigen bloße Anhaltspunkte auf Straftaten eine Videoüberwachung. Aus Sicht der Initiative klingt das nicht sozialdemokratisch. Und während die Drogenkriminalität weitergezogen ist, stehen im Visier der frisch installierten Kameras nun die Hauseingangsbereiche, Anwohner:innen oder Demonstrant:innen.
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