Im Idealfall werden Städte durch Umstände bekannt, auf die sie stolz sein können: berühmte Töchter und Söhne, historische Bauwerke und Ereignisse, außergewöhnliche Stadtfeste. Oder sie führen ein Schattendasein und man kennt sie bestenfalls aus den Verkehrsnachrichten. Das ist jedoch immer noch besser, als durch Negativschlagzeilen zu einer eher traurigen Berühmtheit zu gelangen. So erging es Radevormwald vor einigen Jahren. Eine historische Altstadt gibt es nicht, der bekannteste Sohn der ältesten Stadt im Oberbergischen ist der frühere TV-Moderator Jürgen Fliege. Was Radevormwald stattdessen bekannt machte, ist die dortige rechte Szene. Im April 2012 wurde der rechtsextreme „Freundeskreis Rade“ Ziel einer Razzia. Den zwanzig Beschuldigten wurden neben der Gründung einer kriminellen Vereinigung auch andere Delikte zur Last gelegt – von Sachbeschädigung bis zur Körperverletzung. Bei den Durchsuchungen wurde auch ein umfangreiches Waffensortiment entdeckt. Der Hauptangeklagte wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mitangeklagte wurden zu Haft- oder Geldstrafen auf Bewährung verurteilt, etwa wegen gefährlicher Körperverletzung oder Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Schlagartig kannte man den Namen Radevormwalde.
Das war der bisherige Höhepunkt der Affäre, doch die Rechten werden seither stärker beobachtet denn je. Schon im Dezember 2011 warauf Antrag von SPD und Bündnis 90/Grüne die Einrichtung eines Netzwerks gegen rechtsradikale, rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Kräfte im Oberbergischen Kreis beschlossen worden. Der Kreistag stellte sogleich eine Summe von 25.000 Euro für das erste Jahr der Netzwerkarbeit in den Haushalt ein. „Indem wir die Aktivitäten der Rechten genau protokollieren, kann man jetzt nicht mehr einfach die Situation schön reden, wie die Politik es gerne tut“, führt Gerhard Marzinkowski aus, Geschäftsführer der PariSozial, einer gemeinnützigen Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste im Bergischen Land und Träger des Netzwerks gegen Rechts. „Die Politik kehrt das ganze ja gerne unter den Tisch und sagt: So etwas gibt es bei uns nicht.“ Spätestens durch den NSU-Skandal seien die Verantwortlichen dann aber doch aufgeschreckt worden. Also wurde der Antrag auf Einrichtung des Netzwerks von der Mehrheit mitgetragen.
„Gerade im Süd- und im Nordkreis gab und gibt es erhebliche rechte Tendenzen – allen voran im Norden der Freundekreis Rade und im Süden die Freien Kräfte Oberberg, die sich mittlerweile der Partei ,Die Rechte’ angeschlossen haben“, fährt Marzinkowski fort. „Die Rechten sind gut vernetzt, tauchen auf Veranstaltungen auf, hinterlassen überall ihre Aufkleber oder Graffitis und haben ihre Internetpräsenzen. An einem Mitglied von ,Bunt statt braun’ begingen sie regelrecht Rufmord und verbreiteten das Gerücht, er sei ein Kinderschänder. Also die üblichen Aktivitäten von Rechten.“
Aktuell gehören 33 Institutionen und Organisationen aus Politik, Wohlfahrt, Bildung, Gewerkschaft und Vereinswesen dem Netzwerk gegen Rechts an. Seine Hauptaufgabe sieht es in einer möglichst umfassenden Aufklärung der Bevölkerung – insbesondere der Jugendlichen, ihrer Bezugs- und Betreuungspersonen wie Eltern, Lehrer oder Trainer. Langfristig sollen alle Schulen im Kreis, die bereits dem Netzwerk „Schulen ohne Rassismus – Schulen mit Courage“ angehören, miteinander vernetzt und jene, die sich um diesen Titel bemühen wollen, darin tatkräftig unterstützt werden. Mit regionsspezifischem Informationsmaterial soll in besonderem Maße ein Bewusstsein für die Probleme vor Ort entwickelt werden. In Fortbildungsveranstaltungen, die von der Koordinierungsstelle des Netzwerks mit der Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus organisiert und durchgeführt werden, sollen die Mitarbeiter der Verwaltungen geschult werden. Insbesondere mit den Fortbildungen für den Bereich der Jugendarbeit hat das Netzwerk nach eigener Aussage einen Bedarf bedient.
„Mit der Akzeptanz von Stellen, die von Politik und Verwaltung autorisiert sind, sowie mit dem Netzwerk im Hintergrund wird diese Aufgabe gut umzusetzen sein“, so die Verantwortlichen zum Zeitpunkt ihrer Gründung. Bemühungen, die Rechten zurück auf den rechten, sprich, weiter links verorteten Weg zu bringen, unternehmen sie nicht – um hier auf fruchtbaren Boden zu stoßen, reichen Zeit und Personal nicht aus.
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