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Ted Gaier und Peter Ott
Foto links: Melissa Logan, Foto rechts: Ute Holl

Rituelle Vernetzung

01. Juli 2008

Ted Gaier über "Hölle Hamburg" - Gespräch zum Film 07/08

Ted Gaier ist Gründungsmitglied der Band „Die Goldenen Zitronen“. Daneben spielt er in diversen anderen Bands, ist Produzent, macht Musik fürs Theater und dreht Videoclips. „Hölle Hamburg“, den er zusammen mit Peter Ott gedreht hat (Regisseur und Professor für Film und Video an der Merz-Akademie), ist sein Spielfilm-Debüt.

engels: „Hölle Hamburg“ ist ein sehr ungewöhnlicher Genremix, der höchstens an Alexander Kluge oder eine Post-Punk-Ästhetik wie in „Decoder“ von Muscha oder „Element of Crime“, dem Debüt von Lars von Trier, erinnert. Seht ihr euch in einer bestimmten Tradition?
Ted Gaier: Unser Zugang zu Film ist schon mal von vornherein unterschiedlich, weil Peter Ott das studiert hat, ich aber eher immer praktische Sachen wie Regieassistenz oder Script-Girl oder Videoclips für Die Sterne oder F.S.K. gemacht habe. Mein Ansatz ist nicht filmtheoretisch, aber ich kann sagen, dass es meine ästhetische Wahrnehmung verändert hat, als ich mit 16 so etwas wie „Weekend“ von Godard gesehen habe. Mich interessiert emotionale Einfühlung nicht. Ich finde es gerade richtig, einem die ganze Brüchigkeit einer Thematik vor die Füße zu knallen.

Der Film transportiert ja eine extreme Materialdichte. Ohne Vorwissen kann man da ziemlich im Regen stehen. Was für einen Zuschauer stellt ihr euch vor?
Ich kann mir das nicht vorstellen, Kunst zu machen und mitzudenken, wer sich das hinterher anguckt. Es ist eher so eine Sache, dass man ein Bedürfnis hat, etwas zu formulieren und auch eine Ästhetik zu formulieren, die natürlich wieder einen Standpunkt markiert gegen eine herrschende Ästhetik. Also was man meint, sagen zu müssen, was sonst nicht oder so nicht gesagt wird. Und dann gucke ich, ob das noch jemand anderen interessiert. Bei Leuten, die mit dem Film nichts anfangen können, habe ich öfter gehört, dass er als elitär empfunden wird, weil so viel Wissen dahinter steckt. Das ist aber gar nicht so gemeint, dass jeder alles verstehen muss. Das halte ich für Quatsch, dass man alles verstehen muss, um sich ein Urteil bilden zu dürfen.

Also eher das Handwerkskasten-Prinzip - man nimmt sich, was man braucht...
Ja, so ist unsere Wahrnehmung ja insgesamt. Man muss das - das gilt auch für unseren Film - einfach auf sich einprasseln lassen und gucken, was man davon verwenden kann. Wir sind auch nicht die Superspezialisten für das, was im Film gesagt wird. Wir haben nur erstmal versucht, alles, was wir wichtig fanden, in den Film zu bringen. Aber eigentlich soll’s auch auf einer emotionalen Ebene funktionieren. Wie bei guten Popsongs reicht es vielleicht auch, zwei oder drei Zeilen verstanden zu haben.

Was genau passiert bei der „reflektorischen Erregung“, jenen Tranceritualen der Schiffsmannschaft im Film?
Alle kollektiven Ideen brauchen ein Ritual, damit eine Vernetzung stattfindet. Die Idee ist, dass man die alten Geister nur aktivieren muss - die große Quelle des Kommunismus anzapfen für die heutigen Kämpfe. Das ist natürlich nebenbei auch ein Spaß, so etwas Rationales, Materialistisches wie den Kommunismus, der von sich behauptet, die pure Vernunft zu sein, zu einem heidnischen Kult umzufunktionieren. Und es ist ein Kommentar dazu, woran der Kommunismus zum großen Teil gescheitert ist: am Mangel an Spiritualität.

INTERVIEW: CHRISTIAN MEYER

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