Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
11 12 13 14 15 16 17
18 19 20 21 22 23 24

12.575 Beiträge zu
3.805 Filmen im Forum

Schmutziges Ringen um das Erbe: Marcel Rosca (Maximilian), Zurab Zurabishvili (Karl), Liana Aleksanyan (Amalia) und Rainer Maria Röhr (Herrmann)
Foto: Thilo Beu

Schaltzentrale der Macht

27. Juni 2013

Hilsdorfs Abschiedsvorstellung mit Verdis „Räubern“ in Essen – Oper In NRW 07/13

Der Maestro Stefan Soltesz hat seine letzte Premiere bereits dirigiert, nun gibt auch Regielegende Dietrich Hilsdorf seinen Abschied an der Aalto-Oper. Hilsdorf inszeniert einen letzten Essener Verdi. Dass sich dessen Geburtstag bald zum 200. Mal jährt, dürfte in diesem Falle einmal nicht der Hauptgrund gewesen sein. Denn immerhin sieben von 19 Hilsdorf-Inszenierungen in 25 Jahren Aalto-Theater waren Verdi-Opern – überwiegend Kassenschlager, darunter auch eine „Aida“, die seit 20 Jahren zum Repertoire gehört. Gab Hilsdorf 1988 seinen Einstand mit dem späten Verdi-Meisterwerk „Don Carlo“, so ist er nun am Ende bei einem Frühwerk angelangt: „I masnadieri“, eine Adaption der „Räuber“ von Schiller.

Es gehört zu den Luxusproblemen eines Komponisten, der zu viele gute Werke geschrieben hat, dass seine früheren gerne mal in der Mottenkiste verschwinden, auch wenn sie bereits gelungen waren. Bei Verdis „Räubern“ war das der Fall. Höchst selten sind sie mal auf der Bühne zu erleben. An der Aalto-Oper sind „I masnadieri“ gar eine Erstaufführung. Dabei ist die Partitur durchaus vital und packend, mögen manche Verdi-Spezialisten auch bemängeln, dass die Tonsprache des damals 33jährigen Komponisten noch nicht ganz ausgereift war.

Dass sie dennoch voller schöner und dramatisch starker Einfälle steckt, beweist Srboljub Dinić am Pult der Essener Philharmoniker. Dinić nimmt das verschmähte Frühwerk absolut für voll und entfesselt einen so farbenprächtigen und wirkmächtigen Klangrausch, dass sich der Zuhörer dieser Musik kaum entziehen kann. Auch optisch vermag die Aufführung Interesse zu wecken. Stamm-Ausstatter Johannes Leiacker, der bereits zum 13. Mal mit Hilsdorf zusammenarbeitet, und Beleuchter René Dreher führen den Zuschauer äußerst geschickt aus dem Wald des Originallibrettos von Andrea Maffei in eine prunkvolle Schaltzentrale der Macht – mit schönem Blick auf den Wald.

Der todkranke Graf Maximilian (Marcel Rosca) sitzt am Schreibtisch in einem riesigen, protzigen Raum und weckt in Essen Assoziationen mit einem der Krupp-Patriarchen in seiner Villa Hügel. Es lässt sich schnell erahnen, wohin Hilsdorfs Regie-Konzept zielt: zum einen auf die Strukturen einer kaputten Familie, zum anderen auf die Räuber unserer Tage: Investment-Banker, die im dritten Akt die marmorne Halle mit flimmernden Computerbildschirmen belagern.

Die Parallele ist plausibel und leider nur zu wahr, allerdings auch arg naheliegend. Es ist sicher nicht das innovativste Konzept in Hilsdorfs Verdi-Zyklus. Dennoch besticht der Altmeister einmal mehr mit brillantem Handwerk und legt zwar keine spektakuläre, aber doch sehr sehenswerte Abschiedsvorstellung hin. Auch die Solisten tragen entscheidend zur Qualität der Produktion bei. Liana Aleksanyan singt eine schöne lyrische Amalia, Zurab Zurabishvili einen jugendlich-vitalen Karl. Der eingesprungene Bariton Aris Argiris avancierte als höchst präsenter, böser Franz zum Star der ersten Vorstellungen. Im Juli wird Mikael Babajanyan die Partie singen.

„Die Räuber“ I 3.7.19.30 Uhr I Aalto-Musiktheater Essen I 0201 812 22 00

Karsten Mark

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Gladiator II

Lesen Sie dazu auch:

Grund des Vergessens: Rassismus
Oper von Joseph Bologne am Aalto-Theater Essen – Oper in NRW 03/24

Hexen, Blut und Wahnsinn
„Macbeth“ am Aalto-Theater in Essen – Oper in NRW 08/23

In neuem Licht
Das Aalto-Theater zeigt Verdis „Simon Boccanegra“ – Oper in NRW 01/23

Krieg fressen Seele auf
Roland Schwab inszeniert „Otello“ in Essen – Oper in NRW 04/19

Geisterkönig in der Villa Hügel
Romantische Märchenoper „Hans Heiling“ in Essen – Oper in NRW 04/18

Bauernschwank in der Mehrzweckhalle
Das Regieduo Skutr inszeniert „Die verkaufte Braut“ in Essen – Oper in NRW 01/18

Tanz der bösen Horror-Clowns
Frank Hilbrich inszeniert „Rigoletto“ in Essen – Oper in NRW 09/17

Erlöser aus dem Jugendzimmer
Giacomo Meyerbeers „Le Prophète“ in Essen – Oper in NRW 05/17

Große Oper auf kleinem Raum
Tatjana Gürbaca inszeniert „Lohengrin“ in Essen – Oper in NRW 01/17

Figaro, der Strippenzieher
Rossinis „Il barbiere di Siviglia“ in Essen – Oper in NRW 07/16

Genießt und lacht!
„Die Liebe zu den drei Orangen“ in Essen – Oper in NRW 01/16

Flüchtlingsdrama auf Distanz
„The Greek Passion“ in Essen – Oper in NRW 11/15

Oper.

Hier erscheint die Aufforderung!