Ulrich Seidl macht seit über 30 Jahren vielfach ausgezeichnete Filme zwischen Fiktion und Dokumentation, mit Schauspielern und Laiendarstellern. „Paradies: Glaube“ ist nach „Paradies: Liebe“ der zweite Teil seiner Paradies-Trilogie. Im Mai kommt der dritte Teil „Paradies: Hoffnung“ in unsere Kinos.
engels: Herr Seidl, die ersten beiden Teile Ihrer Paradies-Trilogie portraitieren die Schwestern Teresa und Anna Maria. Bei Teresa kann man sich sicher sein, dass sie als Regisseur die Figur respektieren, bei Anna Maria ist das nicht mehr so eindeutig ...
Ulrich Seidl: Ich sehe im Zugang zu meinen Figuren keinen Unterschied. Das wäre ja auch kein Ansatz, über sie eine Geschichte zu erzählen, wenn mir die Frau nicht liegen würde, und wenn nicht nachvollziehbar wäre, warum sie was tut. Was ich verstehe – und das ist möglicherweise Ihr Unbehagen – ist, dass der Zuschauer zu dieser Figur wahrscheinlich einen schwereren Zugang hat, weil das, was sie tut, für viele Leute nur schwer nachvollziehbar ist – sie ist abweisender. Das hat aber nichts mit meinem Zugang zu tun.
Anna Marias Extremismus wirkt wie eine Karikatur. Inwiefern basiert ihre Art der Religiosität auf Recherche im Österreich der Gegenwart?
Das haben wir natürlich recherchiert. Es gibt ja religiöse Gruppen wie z. B. Opus Dei, wo es Statuten gibt, die Praktiken wie Selbstgeißelungen heute noch anregen oder gar vorschreiben. Opus Dei besteht dabei hauptsächlich aus Akademikern und großbürgerlichen Menschen.
Wie kamen Sie auf die Figur des muslimischen Ehemanns im Rollstuhl? Am Ende wähnt man sich in einer Schlacht zwischen Christentum und Islam ...
„Paradies: Glaube“ geht ja auf meine Arbeit und Recherche zu dem Dokumentarfilm „Jesus, Du weißt“ von 2003 zurück. Dass es so etwas wie eine Wandermuttergottes gibt, habe ich damals entdeckt. Eine Frau aus „Jesus, Du weißt“ war mit einem muslimischen Mann, der einen Schlaganfall hatte, zusammen. Das hat also ein reales Vorbild. Zum anderen ist der Konflikt zwischen Christentum und Moslems zwar da, aber der Hauptkonflikt ist eigentlich die Ehehölle. Auf der anderen Seite ist es mit gar nicht unrecht, den Religionskonflikt zu thematisieren, den gibt es ja global.
Im Mai kommt der dritte Teil „Paradies: Hoffnung“ mit Teresas Tochter in die Kinos. Welche Bedeutung hat der Generationenwechsel in der Hauptfigur?
Der Ansatz war: Ich möchte einen Film über drei Frauen machen. Drei Frauengeschichten, drei Sehnsuchtsgeschichten. Bei der Dritten war es dann klar, es muss eine Jüngere sein, eine andere Generation. Natürlich ist bei Kindern und Jugendlichen das Potential an Hoffnung ein größeres. Aber die Titel der Filme sind auch austauschbar: Alle drei Titel kann man für alle drei Filme verwenden. Es geht immer um Liebe, Glaube und Hoffnung. Die Hoffnung im Sinne von Veränderung setzt man natürlich immer auf die Jugend.
Die Trilogie war ursprünglich als ein überlanger Film geplant. Nun sind daraus drei einzelne Filme geworden ...
Es hat sich in einem längeren Schnittprozess herauskristallisiert, dass ein Film dann zu mächtig daherkäme und das beste künstlerische Ergebnis aus dem Material drei einzelne Filme würden. Das hat sich medial gesehen – auch mit den drei Festivals (Cannes, Venedig und Berlin; d. Red.) – natürlich ungemein günstig entwickelt. Damit konnte man nicht rechnen.
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